Goldene Ente 2016

 

Laudatio von Prof. Dr. Michael Backes, Direktor des CISPA-Instituts in Saarbrücken

 

Lieber Michael Hilberer,

 

mich als Ihren Laudator zu hören und zu sehen, das dürfte Sie überrascht haben. Keine Sorge, mich auch.

 

Als die Anfrage zur Lobrede für die Goldene ENTE in meinem E-Mail-Account aufploppte, wollte ich sie eigentlich im ersten Anflug schon als lästige Spam-Mail elegant im digitalen Papierkorb entsorgen. Eine Anfrage der Landespressekonferenz Saar? Die Verleihung der Goldenen Ente? Das konnte auf den ersten Blick doch eigentlich nur das digitale Ei einer ausgewachsenen Zeitungsente sein. In Zeiten von gezielten Social Engineering Angriffen per Email ist man ja besser erst einmal misstrauisch bei unerwarteten Einladungen. Aber, da ich ja nun hier bin, habe ich mich ganz offensichtlich doch auf das Wagnis eingelassen. Und das, wie ich gestehen muss, mit wachsendem Interesse, neuen Erkenntnissen und zunehmendem Spaß.

 

Mittlerweile bin ich ausgesprochen dankbar, dass mein Spam-Filter Sie nicht abgewiesen hat.

 

Lieber Michael Hilberer, bevor ich daranging, die geeigneten Worte zur Ihrer Würdigung zu identifizieren und zu programmieren, bin ich auf die Suche nach Spuren im Internet gegangen. Da Sie, genau wie ich, ein konsequenter Verfechter von Sicherheit, Datenschutz und digitaler Selbstbestimmung im Netz sind, war ich überrascht, wie viel Sie und Ihre Fraktion in Blogs, Podcasts, Wikis und Videos veröffentlichen. Aber digitale Selbstbestimmung bedeutet natürlich genau das: selbst informierte Entscheidungen darüber treffen, was man wie und wo veröffentlichen möchte.

 

Die erste Ebene der Annährung war schnell genommen. Wir sind fast gleichaltrig und beide Informatiker. Das passte schon mal. Was mich dann jedoch kurz zweifeln ließ, war die Tatsache, dass ich es mit Ihnen, lieber Michael Hilberer, mit einem Piraten zu tun habe. Aber wofür stehen Sie als Pirat? Sie fordern Transparenz und Offenheit in Politik und Administration, sagen mit Ihrer Partei unerschütterlich Ja zur Freiheit im Netz und wollen keinen von oben organisierten Datenschutz, sondern die Kompetenzen der Bürger stärken und ihnen selbst Entscheidungsfreiräume und Kontrollwerkzeuge an die Hand geben. Das gefiel mir. Und das ist nun ein perfektes Spiegelbild dessen, wofür ich mit meiner Arbeit als Hochschullehrer und Wissenschaftler für IT-Sicherheit stehe. Nämlich die technische Umsetzung dieses selbstbestimmten Schutzes der Privatsphäre in der digitalen Welt.

 

Sie aber sind ein Politiker. Also einer von denen, die vehemente, auf Überzeugungen basierende Forderungen erheben und dann mit Kompromissen oder gar anderslautenden Mehrheiten leben müssen. In meiner Welt hingegen ist es oft so, dass man beweisbar mit einer These entweder recht hat ... oder nicht. Häufig das letztere.

 

Schließlich und endlich gelten sie auch noch in der eigenen Partei als ein aufmüpfiger Pirat. Sie bezeichnen die Piraten schon mal als reformunwillig oder auf dem Weg in die gesellschaftliche Irrelevanz. Auch glauben Sie, dass nicht jedes Problem mit Schwarmintelligenz zu lösen ist, sondern dass es auch verantwortungsvolle und verantwortende Köpfe braucht, die nicht nur mit dem Schwarm mitschwimmen, sondern herausragen.

 

Wie und wo kann man Sie als Träger der Goldenen Ente denn nun einordnen? Und was hat die Landespressekonferenz bewogen, gerade Sie zum Preisträger zu machen?

 

Nach einigem Nachdenken wurde mir klar: Mit der reinen Lehre von Eins und Null – der Basis der binären Computertechnik – werde ich einem Politiker, auch wenn er Informatiker ist, nicht gerecht. Ich musste also nicht nur ein andersartiges Skript schreiben, sondern auch einen ungewohnten Algorithmus identifizieren und definieren, um Ihnen als Preisträger gerecht zu werden.

 

Also richtete ich meinen Blick zunächst auf das, was unsere grundlegende Gemeinsamkeit ist – das Universum der Informationstechnologien und Daten. Sie lieber Michael Hilberer gelten als einer, der komplizierte Konzepte anschaulich erklären kann und immer versucht, die Bürger mitzunehmen. Wenn Sie in ihren Podcasts beschreiben, was Netzneutralität ist, wie eine Funkzellenabfrage oder eine stille SMS funktioniert, versteht jeder, was das ist. Dafür haben Sie sich schon meinen höchsten Respekt verdient. Denn auch mir und meinen Fachkollegen ist es nicht zwangsweise in die Wiege gelegt komplexe Sachverhalte anschaulich zu erklären.

 

Dass es Ihnen wichtig ist, die Bürger selbst mit den Instrumenten und Kompetenzen für die eigene Sicherheit und digitale Selbstbestimmung im Netz auszustatten, findet meinen uneingeschränkten Beifall. Hier sollten wir sicher alle gemeinsam weiter und umfassender denken – jetzt und auch nach der kommenden Landtagswahl.

 

Lieber Michael Hilberer, Sie selbst sagen über sich, dass es Ihr großes Ziel ist, die Demokratie wieder interessanter für alle Bürger zu machen. Und dass es Ihnen speziell für Ihre Tätigkeit im Landtag darum geht, die politische Arbeit des Landtages offen und transparent zu gestalten. Weil es die Bringschuld der Politiker ist, Menschen für Politik zu begeistern. Auch hier folgen Sie Ihrer Diktion eines bewussten Umgangs mit Daten konsequent. Denn genau so wie die Nutzer genau wissen sollten, was mit ihren Daten passiert, sollten die Wählerinnen und Wähler wissen, was tatsächlich mit ihren Stimmen passiert, die sie der Politik geben. Mit Ihrem Podcast „Hilles Büro“ und vielen anderen Aktivitäten im Bereich der sozialen Medien machen Sie damit kontinuierlich Ernst. Ihre gelebte Transparenz und Ihre Offenheit gegenüber der Gesellschaft, den Bürgern und Wählern, aber auch und gerade gegenüber den Medien waren gewichtige Argumente dafür, Sie als diesjährigen Preisträger der Goldenen Ente auszuwählen.

 

Und es schließen sich sicher viele Vertreter der Medien dem Urteil des Saarländischen Rundfunks über Sie an. „Nicht nur einer der bekanntesten Köpfe der Piraten im Saarland. Sondern einer, der Inhalte entwickeln und transportieren kann und der von allen Parlamentskollegen wertgeschätzt wird“. Und das obwohl Sie nun nicht gerade als ein bequemes oder geschmeidiges Parlamentsmitglied gelten. Sie stehen eher für den ungewöhnlichen Ansatz, das Beharren auf dem, was Sie als richtig und wichtig erkannt haben und für einen steten Strom neuer Ideen. Dass es sie nie abgeschreckt hat, wenn Sie damit nicht durchdringen konnten, andere Ihre Ideen stillschweigend übernommen haben oder Sie gescheitert sind, ehrt Sie als Parlamentarier in besonderer Weise. Dass Sie dabei auch noch die freie Rede ausgesprochen gut beherrschen, stets leidenschaftlich, aber dennoch immer konstruktiv agieren, macht sie zu einem Piraten, der seinesgleichen sucht.

 

Netzpolitik, Bürgerbeteiligung und der Kampf gegen Rechtsextremismus und -populismus sind Ihre Themen. Wichtige Themen. Auch dabei stehen Sie für Konsequenz. Nicht dem Rechtspopulisten aufs Maul schauen und nach dem Munde reden ist Ihr Credo, sondern als demokratisch-überzeugter Politiker wieder zu lernen. Wieder lernen zuzuhören, zu erklären, zu diskutieren, hinzugehen und den Leuten zu begegnen. Menschen einzubeziehen und neue Strukturen zu schaffen für Diskurs und Beteiligung.

 

Da schaut er dann auch wieder aus dem Schwarm heraus, der konsequente politische Pirat, Transparenz- und Netzpolitiker – Michael Hilberer.

 

Bei einem Preisträger der Landespressekonferenz des Saarlandes, der selbst Saarländer ist, und einem Laudator, der Saarländer ist und am CISPA im Saarland forscht, wäre es eine unvollständige Lobrede, wenn wir nicht auch den Blick auf unsere Region und selbstverständlich – wie sich das gehört – auch nach vorn, in die Zukunft richten würden.

 

Es ist ein gutes Zeichen, dass das Jahr 2016 einen Preisträger sieht, in dessen politischem Quellcode Europa und unsere europäische Großregion integrale Bestandteile sind. Das formuliert Michael Hilberer selbst mit einem nahezu unnachahmlichen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein: „Wir sind als Saarland nicht der kleine Zipfel der Bundesrepublik Deutschland, sondern wir sind als Teil der Großregion mittendrin in diesem pulsierenden Europa.” Hier schlägt das Herz eines überzeugten Europäers. Und wer, meine Damen und Herren hier im Saal, wollte seiner Definition unserer Region widersprechen? Ich ganz bestimmt nicht.

 

Die stärkere – auch wissenschaftliche – Vernetzung mit unseren europäischen Nachbarn liegt auch mir ganz persönlich am Herzen. Mehr und bessere Sicherheit in der IT können wir nicht auf dem Weg der stärkeren Abschottung und Abgrenzung erreichen. Wir brauchen die besten Köpfe Europas, um unsere Systeme im Vergleich zu Wettbewerbern wie den USA oder Fernost sicherer und damit erfolgreicher zu machen. Hierbei kommt der Großregion auch wissenschaftlich eine besondere Bedeutung zu. Wir haben das Glück hier drei der besten Forschungsinstitute für IT-Sicherheit Europas auf engstem Raum zu haben. Meine Kollegen am CISPA, am Inria in Nancy und am SnT in Luxemburg; wir alle schätzen uns glücklich, dass wir in diesem offenen und vereinten Europa die größten Herausforderungen der IT-Sicherheit gemeinsam angehen können.

 

Und ich pflichte Michael Hilberer deshalb bei, wenn er sagt: „Wir haben die Chance in der Großregion vorzuleben, wie Europa funktionieren kann, wie Europa funktionieren muss.“ Warum er das denkt? Weil er glaubt, wie er formuliert, „dass dem Saarland und der Großregion in der EU eine besondere Bedeutung zukommt. Lokal – weil wir im Herzen Europas sind. Eine besondere Bedeutung aufgrund der Verantwortung: Wir waren hier in der Großregion über Jahrhunderte das Schlachtfeld Europas und stehen somit für die dunkle Seite, dafür wohin Nationalismus führen kann. Und natürlich als Grenzregion, denn je undurchlässiger eine Grenze ist, desto schlechter ist es für die Region.”

 

Meine Damen und Herren. Mit Michael Hilberer ehrt die Landespressekonferenz des Saarlandes einen begeisterten und begeisternden, weithin respektierten Demokraten. Einen Streiter für Offenheit, der offen ist. Einen Nachdenklichen, der zum Nachdenken anregt.

 

Lieber Michael Hilberer, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu Ihrem Preis. Bleiben Sie ihrem Credo, das heute mit der Goldenen Ente geehrt wird, treu. Ich wünsche Ihnen, dass dieses schwergewichtige Federvieh in Edelmetall Ihnen in Zukunft sprichwörtlich goldene Eier legt – also neue Ideen und Einsichten, aber auch Lösungen, damit Sie Ihre Ziele zu unser aller Gewinn auch umsetzen können.