Laudatio

von

Peter Schaar

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

 

[Herr Schaar konnte wegen widriger Wetterverhätlnisse und den daraus resultierenden Flugabsagen kurzfristig nicht nach Saarbrücken kommen. Der Redetext war aber vorbereitet und wird deshalb hier dokumentiert:]

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

lieber Herr Kuderna,

vor allem aber: lieber Herr Lorenz!

 

Als ich erfuhr, dass Sie, lieber Herr Lorenz, von der saarländischen Presse geehrt werden sollen, habe ich mich aufrichtig für Sie gefreut. Zum einen ist es nicht unbedingt alltäglich, dass ein Datenschützer, also ein Nörgler qua Amt, oder - wie man auch sagen könnte - das institutionalisierte schlechte Gewissen, mit einer Auszeichnung bedacht wird.

Zum anderen freut es mich auch ganz persönlich, dass Sie hier einen Preis erhalten, der Ihr Wirken, Ihren persönlichen Einsatz, würdigen soll. Die Goldene Ente gebührt also gleichermaßen dem Datenschützer wie dem Menschen Roland Lorenz.

Ich habe mich aus Berlin schlau gemacht, was das überhaupt für ein Preis ist, die „Goldene Ente“. Dabei habe ich festgestellt, dass die „Ente“ bereits einer Vielzahl von herausragenden Persönlichkeiten verliehen wurde. Ehemalige Ministerpräsidenten - auch der derzeitige - gehören dazu, Oppositionspolitiker, Vertreter der Bürgergesellschaft, Gewerkschafter und Wissenschaftler. Und sogar einen leibhaftigen Bischof hat die saarländische Landespressekonferenz mit der Goldenen Ente bedacht. Alles zusammen also eine recht bunte Truppe, und ich denke, dass Sie, lieber Herr Lorenz, ganz gut dazu passen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Landespressekonferenz, ich verstehe Ihre Einladung so, dass Sie sich von mir auch eine Einschätzung des Kollegen Roland Lorenz erwarten, also gewissermaßen eine Meinung aus der Peer Group. Ich will Ihnen meine Antwort nicht vorenthalten.

Roland Lorenz ist anders! Er war der Schlapphut unter den Datenschützern. Damit Sie mich nicht missverstehen: ich meine natürlich nicht, dass er derjenigen Profession zuzurechnen ist, die man gewöhnlich mit dieser Kopfbedeckung assoziiert. Ich meine es ganz wörtlich: Roland Lorenz ist der einzige Datenschutzbeauftragter, der sommers wie winters einen schwarzen Schlapphut trug.

Er unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht von den Kolleginnen und Kollegen. Er ist francophil, um nicht zu sagen frankophon - warum, das haben Sie, lieber Herr Kundera ja gerade erklärt.

Immer wieder werden Menschen zu Datenschützern berufen oder gewählt, von denen man dieses aufgrund ihrer beruflichen Biografie nicht unbedingt erwartet hätte. In dieser Hinsicht ist Roland Lorenz jedenfalls kein Unikum. Manchmal beschleicht einen sogar der Eindruck, die Personalauswahl für dieses Amt würde so vorgenommen, dass man von dem aus der Verwaltung zum Datenschutzbeauftragten Geadelten nicht allzu viel zu befürchten hat. Zum Glück erfüllt sich diese Erwartung nur in den wenigsten Fällen. Aus Verwaltungs- oder Finanzbeamten werden echte Datenschützer, die ihre Aufgabe mit Geschick und Engagement wahrnehmen und dabei - soweit dies erforderlich ist - auch einem Streit nicht aus dem Weg gehen.

Fast hat man den Eindruck, dass mit der Ernennung zum Datenschutzbeauftragten eine Art Damaskuserlebnis verbunden ist, also die Erkenntnis, dass Verwaltungshandeln bisweilen in die falsche Richtung geht und entsprechend korrigiert werden muss. Dabei ist die Einschätzung, ob sich da jemand vom Saulus zum Paulus oder in umgekehrter Richtung gewandelt hat, durchaus abhängig von der Sichtweise. Für mich ist klar: Paulus Lorenz war ein guter Datenschutzbeauftragter!

Demokratie ist ein System von Checks and Balances. Regierungen und Verwaltungen werden nicht nur durch die Parlamente und Verfassungsgerichte kontrolliert, sondern auch durch eine freie Presse und eben auch durch unabhängige Datenschutzbeauftragte.

Kontrolle ist für den Kontrollierten nicht immer angenehm, sie darf es auch gar nicht sein. Unbequeme Datenschutzbeauftragte sind ebenso wie unbequeme Journalistinnen und Journalisten das Salz der Demokratie. Roland Lorenz hat dies sehr gut verstanden und sich dabei bisweilen auch unbeliebt gemacht. Dafür kann man ihn nur beglückwünschen!

Datenschutz ist aber kein Selbstzweck. Letztlich geht es darum, so die nach wie vor gültige Leitlinie des Bundesverfassungsgerichts, dass der Einzelne selbst darüber bestimmen soll, wer was von ihm weiß. Und diese Aufgabe ist heute, im Zeitalter des Internet, schwieriger denn je.

Während in der Frühzeit des Datenschutzes vergleichsweise wenige persönliche Daten erhoben und in Computern verarbeitet wurden, ist heute die Informationstechnik und damit auch die Erfassung personenbezogener Daten allgegenwärtig. Auf einem beliebigen Notebook eines Fünfzehnjährigen sind heute weitaus mehr Daten gespeichert, als damals in einem großen Rechenzentrum.

Wer ein Handy oder Smartphone in der Tasche hat, zieht seinen eigenen Datenschatten hinter sich her und dieser immer länger werdende Datenschatten wird gierig aufgesammelt - von öffentlichen und privaten Stellen. Für Kommunikations- und Bewegungsprofile interessieren sich gleichermaßen Unternehmen, die ihre Werbung zielgerichtet platzieren wollen und Behörden, um Steuersünder zu finden oder „potentielle Gefährder“ zu erkennen.

In Zukunft werden sogar der Kühlschrank, die Kaffeemaschine und die Heizung über das Internet miteinander kommunizieren. Die dabei entstehenden Datenmassen liefern ein noch genaueres Bild von unseren Verhaltensweisen, Interessen und Problemen.

Deshalb nimmt die Bedeutung des Datenschutz weiter zu. Angesichts der Komplexität der Informationstechnik ist es aber für den Einzelnen immer schwieriger, seine Daten unter Kontrolle zu halten. Umso wichtiger ist es, dass es Menschen wie Roland Lorenz gibt, die mahnend ihren Finger heben und die dazu beitragen, dass die Betroffenen sich der Gefahren eines unbedachten Verhaltens bewusst werden.

Besonders wichtig ist der Datenschutz für die Bevölkerungsgruppe, die sich anscheinend am wenigsten dafür interessiert. Ich meine die nachwachsende Generation, die so genannten „Digital Natives“. Ihnen galt ein besonderes Interesse des Kollegen Lorenz, man könnte neudeutsch auch sagen: Sie waren seine wichtigste Zielgruppe. Er hat vielfältige Initiativen angestoßen und unterstützt, um Schülerinnen und Schüler, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen, die Risiken und Untiefen des Internets zu erkennen und zu meiden. Auch dafür gebührt ihm unser Dank!

Roland Lorenz wurde einige Zeit nach seiner Ernennung als Landesdatenschutzbeauftragter auch die Aufgabe des Informationsfreiheitsbeauftragten aufgebürdet. Ich verwende den Begriff „Bürde“ ganz bewusst, denn Roland Lorenz hat sich - um es vorsichtig auszudrücken -, um diese neue Aufgabe nicht gerissen. Um ehrlich zu sein: Ich finde es gut, dass er sich mit seiner ablehnenden Haltung hier nicht durchgesetzt hat, denn auch die Informationsfreiheit gehört zu denen bereits erwähnten Checks and Balances.

Staatliches Handeln muss für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein. Transparenz ist das A und O demokratischer Politik. Wohin es führt, wenn die Transparenz vernachlässigt wird, kann man gerade im in Baden-Württemberg beobachten. Noch ist nicht einmal sicher, ob die nachträgliche Moderation den Konflikt um Stuttgart 21 befrieden kann. Auf jeden Fall kann man aber sagen, dass heute größere staatliche Projekte nur dann von den Menschen akzeptiert werden, wenn alle Karten frühzeitig auf den Tisch kommen. Nur so kann die Bürgerbeteiligung mehr sein als ein formalistischer Akt. Nur so kann sie eine kenntnisreiche inhaltliche Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger auf den politischen Prozess werden. Dies ist auch ein zentrales Anliegen der Informationsfreiheit!

Nach den Veröffentlichungen von WikiLeaks ist zu befürchten, dass es zu einer Art Rollback kommt, dass der Staat die Schotten dicht macht und versucht, Informationen zurückzuhalten. Zumindest aus den USA sind entsprechende Forderungen bereits sehr laut zu vernehmen. Dem halte ich entgegen: Wir brauchen mehr und nicht weniger Transparenz, wir brauchen mehr und nicht weniger Informationsfreiheit!

Wenn man heute mit Roland Lorenz spricht, dann entgeht einem nicht, dass er zur Informationsfreiheit seine Auffassung geändert hat. Man könnte fast sagen: Seine Ansicht ist hier sogar ins Gegenteil umgeschlagen! Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Landesbeauftragten setzt er sich privat für mehr Transparenz staatlichen Handelns ein. Ich finde, dieses Engagement ist beispielhaft!

Roland Lorenz wird heute mit der Goldenen Ente ausgezeichnet. Enten sind bekanntlich Tiere, die sich aufgrund ihrer besonderen Konstitution auch in schwierigen Umweltbedingungen behaupten können. Roland Lorenz ist zu wünschen, dass es ihm in seinem weiteren Leben genauso ergeht wie diesen Wasservögeln!