Antwort

des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn


[Dieser Text beruht auf einem Mitschnitt der frei gehaltenen Rede Er wurde zur besseren Lesbarkeit von der LPK leicht gekürzt und behutsam redigiert]



ich bin, wie Herr Kuderna gesagt hat, der dritte Luxemburger nach Gaston Thorn und Jean-Claude Juncker, dem die Ehre zufällt, diese Goldene Ente zu erhalten. Wenn ich im Internet richtig geschaut habe, wurden bisher 42 dieser Enten verteilt, 50 Prozent ungefähr waren Politiker, es waren auch viele andere wichtige Personen dabei, es waren auch vier Franzosen dabei, aber es ehrt mich sehr, dass Sie überhaupt an mich gedacht haben, um diesen Preis zu bekommen.


Wie Herr Kuderna gesagt hat, war Jean-Claude Wolff mein Nachbar in unserem Dorf in Steinfort, ich habe auf sein Haus gesehen, seine Mutter lebt noch da und wir sollten aus meiner Sicht auch an ihn denken.


Warum habe ich diesen Preis bekommen? Also ich glaube nicht, dass es wegen Deutschland-bashing ist. Das mache ich auch nicht. Ich kenne nicht viele Journalisten aus dem Saarland. Die meisten Journalisten, die ich kenne, sind in Brüssel oder in Berlin.


Ich habe mir gedacht, es kann ja auch nicht sein, dass ich diesen Preis bekomme wegen Luxleaks. Im Mai haben sie entschieden, diesen Preis mir anzuvertrauen, also war es das nicht. Ich werde mich hüten, hier die Leier zu singen, dass das alles legal ist, vielleicht nicht legitim, das mache ich nicht. Vielleicht darf ich als kleiner Sozialist sagen neben dem großen Peter Altmeier, dass der Kapitalismus unersättlich ist, auch im 21. Jahrhundert, und dass wir in Luxemburg jedenfalls nicht den Fehler machen werden, uns einen Wendehals aufzuzwingen, sondern dass wir nach vorne schauen. Wir wollen und werden in Luxemburg von diesem Phänomen wegkommen, dass Menschen oder Betriebe die Steuerminderung derart weit treiben, dass sie keine Steuern zahlen. Das werden wir eliminieren und wir werden dabei zusammen arbeiten mit den europäischen Instanzen. Luxemburg wird auch in der OECD sehr aktiv mithelfen, dass diese Praktiken aufhören, dass wir hier Richtlinien bekommen und am Ende auch eine sehr transparente Konstruktion hinkriegen. Dann kommen wir – das ist auch der Sinn der Debatte – von diesem System weg.


Der Unterschied zwischen dem Saarland und Luxemburg ist, dass ihr ein Land seid und wir sind ein Staat. Wenn man ein Staat ist, dann macht man auch Außenpolitik und nicht nur Großregion-Politik. Ich will jetzt keine Rede über Außenpolitik  halten, aber ein Außenminister, hat man mir gesagt, muss auch einmal ernst sein.


Ich bin vor zehn Jahren in dieses Amt gekommen. Damals war auf der Welt unheimlich viel Hoffnung. Diese Hoffnung hat sich umgewandelt in unheimlich viel Angst. Wenn man schaut, Hoffnung vor zehn Jahren zwischen den Amerikanern und den Russen, im Irak bestand Hoffnung nach 2003, den Staat wieder neu aufzubauen, es gab Hoffnung auf dem Balkan, all diese Länder durch die Deklaration von 2003 in die Europäische Union zu bringen. Es war vor allem sehr viel Hoffnung, dass die Amerikaner und die Russen auf einen anderen Weg kommen. Man sieht heute, dass das in manchen Hinsichten in die falsche Richtung gegangen ist.  Eigentlich das Einzige, was vielleicht heute weniger Angst macht als damals ist die Iran-Frage. Wir sind sehr nahe an einer Lösung und ich hoffe, dass in sieben Monaten diese Lösung auch gefunden werden kann. Nahost, IS, Ukraine, Sie wissen besser oder genau so gut wie ich, dass hier vieles versagt hat im Zusammenleben und auch im internationalen Kontext.


Wir waren jetzt zwei Jahre als kleines Land im Sicherheitsrat. Die Kampagne haben wir 2008 gestartet. Ich bin bestimmt durch 100 Länder gereist und wir sind 2012 gewählt worden. Es gab drei Kandidaten: Australien, ein Kontinent wie Sie wissen, Finnland und Luxemburg. Wir sind Nummer zwei geworden. Wir waren also zwei Jahre im Sicherheitsrat und wir haben natürlich unheimlich viel gelernt. Aber ich muss auch sagen, dass man sehr sehr enttäuscht ist über den Sicherheitsrat. In der Syrien-Frage hätte er sehr früh Entscheidungen treffen können wie wir sie in der Europäischen Union getroffen haben, zum Beispiel ein Waffenembargo. Ohne Waffen führt man keinen Krieg. Wir wissen, dass zwei Länder, vor allem ein Land und ein Reich der Mitte alles blockiert haben und wir wissen auch, dass in der Frage der Souveränität der Ukraine der Sicherheitsrat eigentlich nicht funktioniert hat. Nachdem auf der Krim internationales Recht wirklich nicht respektiert wurde, hat die Vollversammlung der UNO eine klare Sprache gesprochen, und über 100 Stimmen haben sich eingesetzt für die Souveränität und die Integrität des Territoriums der Ukraine. Aber im Sicherheitsrat wurde leider auch das blockiert.


Wir als Luxemburger haben das gemacht, was wir vielleicht am besten können. Wir haben auch in der Außenpolitik Nischenpolitik gemacht. Wir haben uns sehr viel eingesetzt für Kinder, für Frauen in Kriegsgebieten. Wir haben uns sehr eingesetzt in Sachen Syrien für humanitäre Hilfe. So richteten wir in Luxemburg im März/April 2013 eine große Sitzung aus, bei der der australische Außenminister sowie arabische und europäische Außenminister zusammen saßen. Wir hatten die Idee, dass Australien und Luxemburg, die damals in den Sicherheitsrat gewählt wurden, es auf humanitärem Weg fertig bringen müssten, dass die Hilfe, die Konvois, Medikamente und Nahrung über die Grenzen und über die Fronten in Syrien hunderttausend Menschen Hilfe bringen können. Das ist uns gelungen auf dem Weg der Resolutionen. In New York hören wir immer wieder Anerkennung dafür, dass Luxemburg mit Australien und Jordanien hier etwas geleistet hat, was eigentlich kein großes Land im Sicherheitsrat leisten kann. Wenn es um humanitäre Ziele geht, werden große Länder, die die Initiative ergreifen, verdächtigt, dass das nur in einem politischen Kontext zu sehen ist.


Was Russland angeht und die Ukraine, da sind sich die europäischen Länder im Sicherheitsrat natürlich einig, dass man die Souveränität und die Integrität der Ukraine in keinster Weise in Frage stellen darf. Man hat aber auch immer wieder betont, dass man die Kanäle offen lassen muss, um mit Russland in Kontakt zu bleiben. Das klingt manchmal kontradiktorisch, aber ich glaube, dass wir – viel mehr wie die Amerikaner oder die Japaner - diesen Kontinent zu teilen haben mit den Russen. Wir müssen schauen, wie wir auch für unsere Kinder und Kindeskinder im 21. Jahrhundert es fertig bringen, in irgendeiner Form von Stabilität das Zusammenleben zwischen Russland und der Europäischen Union zu bewerkstelligen. Das Problem ist, dass wir uns nicht einig sind im Osten, in Europa und auch in Amerika, was eigentlich mit den Ländern geschehen soll, die zwischen Russland und der Europäischen Union liegen. Und ich kann nicht verstehen, dass Russland Moldawien destabilisieren muss,  weil Moldawien ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet hat. Das Gleiche gilt für Georgien, das Gleiche gilt natürlich auch für die Ukraine. Die Ukraine muss selbst entscheiden können. Wir als Europäer müssen uns allerdings auch die Frage stellen, ob wir richtig gehandelt haben, indem wir in einer gewissen Zeit letztes Jahr eigentlich die Botschaft gegeben haben, die Ukraine auf unsere Seite zu ziehen. Das war, glaube ich, auch ein Fehler, über den wir nachdenken müssen. Die Ukraine ist ein Land mit zwei Kulturen, mit zwei Sprachen, mit zwei Religionen, und hier muss man wirklich auch aufpassen, dass wir die Konfrontation nicht bis obenhin ziehen. Wir sollten auch als Europäer nicht in die Falle gehen und sagen, wenn die Ukraine Mitglied in der NATO ist, ist das Problem gelöst. Wenn wir das machen, drücken wir die kalte Konfrontation schnell auf eine Stufe, wo dies zu einer wahren Konfrontation werden kann; hier müssen wir wirklich aufpassen.


Ich will ihnen vielleicht noch zum Abschluss sagen: Peter hat viel von Europäischen Union gesprochen, ich sehe Deutschland wirklich als das wichtigste Land an in der Europäischen Union. Ohne die Lokomotive Deutschland wäre Europa nicht da, wo es heute ist. Allerdings muss man versuchen, aufzupassen. Nehmen wir einmal diese 300 Milliarden, das Projekt von Jean-Claude Juncker. Hier geht es nicht nur um Juncker, es geht nicht nur um Deutschland und Frankreich, hier geht es um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Entweder die Europäische Union bringt es fertig, dass wirklich investiert wird, oder die Europäische Union hat versagt. Es ist ein Problem, wenn sie aus Berlin permanent die Botschaft hören, vielleicht aus deutscher Sicht zu Recht: Zuerst reformieren, dann kommt Wachstum. In Paris höre ich dann, wir werden keine Reformen durchbringen können, wenn kein Wachstum da ist. Das Genie Europas ist es in den letzten zehn Jahren gewesen,  diese Standpunkte, die kontradiktorisch scheinen, auf einen Nenner zu bringen. Der Euro ist ein Friedensprojekt, aber ich glaube, Europa ist auch ein soziales Friedensprojekt. Und hier müssen wir aufpassen mit den Initiativen in der Europäischen Union, dass wir nicht die Interessen von den Ländern verfolgen, die sich heute viel besser stehen als die, die große Probleme haben, sondern dass wir Solidarität üben und versuchen, uns einzufühlen in Länder, in denen die Jugendarbeitslosigkeit weit über 30, 40 Prozent liegt und in denen der Glaube an Europa, wenn ich so sagen darf, verschwunden ist - das ist auch im Interesse des größten und stärksten Landes der Europäischen Union, und das kann ein kleines Land besser ausdrücken als ein großes.


Wir sind auch konfrontiert mit Gegnern der Europäischen Union, wo die Gegnerschaft wirklich ein großes Potenzial hat. Helmut Kohl hat gesagt, die Demokratie ist kein perpetuum mobile. Das kann man auch sagen von der Europäischen Union. Die Europäische Union ist kein Perpetuum mobile. Mehr als vor zehn Jahren muss man heute jeden Tag erklären, wie wichtig Europa ist und was Europa ist. Mitterand hat einmal gesagt: Nationalismus ist Krieg. Die Gegner der Europäischen Union sind von großer Stärke. In Frankreich besteht das Risiko, dass der Front Nationale bis auf 30 Prozent kommt, vielleicht darüber. Man weiß nicht, was 2017 bei den Präsidentschaftswahlen geschieht. Ukip in Großbritannien ist ein sehr gefährlicher Verein, der auch in Großbritannien jedes europäische Gefühl abwürgen will. In Deutschland war ich einmal in einer Talk-Show, da saß ein Mann links neben mir, der hieß Lucke. Man kannte ihn noch nicht. Aber jetzt weiß man auch, dass man nicht unterschätzen darf, was in den Köpfen dieser Leute vorgeht. Ich habe genau die Botschaft von Peter Altmaier verstanden, wenn er sagt, nicht nur Deutschland verteidigt seine nationalen Interessen. Auch wir Luxemburger tun dies selbstverständlich. Das hat man ja gesehen. Wir verteidigen unsere nationalen Interessen, manchmal schlechter, manchmal besser. Aber wenn es nur noch um nationale Interessen geht in der Europäischen Union, wird das die Europäische Union nicht überleben. Ich bin ja oft in Brüssel, es ist schauderhaft, was auf dem letzten Europäischen Rat geschehen ist, wo Leute auftreten, die Ministerpräsidenten ihres Landes sind und ein erbärmliches Bild abgeben, wo sie den Menschen draußen nur zeigen, dass Europa eigentlich nur ein Kampf ist, wo das Nationale obsiegen muss über das Europäische. Das ist auch tödlich, glaube ich, in der öffentlichen Meinung. Wir müssen da gut aufpassen.


Ich habe gesagt, ich würde keine Predigt halten; das will ich auch nicht. Ich war vielleicht ernster als gedacht, aber es freut mich sehr, dass ich diesen Preis bekommen habe und dass so ein bedeutender Mann wie Peter Altmaier die Laudatio gehalten hat, und dass auch Herr Kuderna so viele freundliche Worte für mich persönlich und für Luxemburg gefunden hat. Ich nehme den Preis an, und wir schauen dann, wenn wir das Haus umbauen, wo wir die Goldene Ente hinsetzen.