Goldene Ente 2011

 

Begrüßung und Würdigung

 

durch Michael Kuderna

 

Sehr geehrte Frau Hauptman,

liebe „Hauptmänner“,

lieber Herr Hecken,

liebe Gäste,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

wenn ich so in unsere Runde schaue und ein ungefähres Durchschnittsalter schätze, dann bin ich sicher, dass jede Woche mindestens eine oder einer von uns in irgendeinem Wartezimmer sitzt und auf einen Doktor wartet. Ab heute kommt der Doktor hoffentlich jedes Jahr zu uns. 1973 ist die erste Goldene Ente verliehen worden. 38 Jahre hat es also gedauert, bis wir erstmals einen Preisträger aus der Mediziner-Zunft gewählt haben, einer Zunft, die für unser Leben – manchmal gar fürs Überleben – so wichtig ist und die auch in unserer Berichterstattung einen breiten Raum einnimmt. Wobei, wenn ich wieder in die Runde schaue, den meisten von uns ein Urologe beim privaten Gespräch vielleicht mehr Neben-Nutzen versprochen hätte als ein Frauenarzt. Aber wir arbeiten mitgliederseits daran, auch dieses Missverhältnis zu ändern.

 

Aber bevor ich zu Ihnen, Herr Dr. Hauptmann, etwas ausführlicher komme, möchte ich unsere Gäste sehr herzlich willkommen heißen – und hier vor allem Sie, Frau Hauptmann. Wir wissen, wer diesen Preis bekommt, gehört zu denen, die vermutlich wenig zu Hause sind. Und so wissen wir auch, dass Sie, indem Sie dies dulden – möglicherweise auch fördern oder zumindest erdulden – einen Anteil an der heutigen Auszeichnung haben.

 

Zum Wohlbefinden unseres Preisträgers – und auch das wissen wir: in der Regel erfüllt nur ein einigermaßen zufriedener Mensch die kommunikativen Voraussetzungen für eine Goldene Ente – zu diesem Grundwohlbefinden von Dr. Hauptmann trägt auch das Aufgehobensein in seiner Ursprungsfamilie bei. So begrüßen wir auch seinen Bruder, Herrn Staatssekretär Peter Hauptmann, hier in diesem schönen Ambiente, in dem er sich sowieso sehr heimisch fühlt.

 

Der größte Dank gebührt unserem Laudator. So schnell, spontan und fröhlichen Herzens wie Sie, Herr Staatssekretär Hecken, hat selten ein Festredner zugesagt – und das trotz weiten Weges und knappen Zeitbudgets. Das ist sowohl für Herrn Hauptmann wie auch für uns eine große Ehre, und ich hoffe sehr, dass Sie Ihr Kommen nicht bereuen werden.

 

Weiter begrüßen wir Herrn Brenner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. In schweren Zeiten wie diesen hätten wir ohne Ihre Hilfe möglicherweise bei der neuen Enten-Generation – denn die alten Exemplare sind nun aufgebraucht – zu einer leichteren Version greifen müssen. Das wäre schade gewesen, lebt der Ruf unserer Enten doch vom Paradox: eine Goldene Ente, eine massive, schwergewichtige und wertvolle Abart des eher unscheinbaren, federleichten Schnabeltiers.

 

Apropos Schnabel: Für die leiblichen Genüsse bedanken wir uns im Voraus bei der charmanten Hausherrin, Frau Thiel, und ihrem Team. Zur Harmonie der Sinne gehört auch die Welt der Töne. Für den friedlichen Angriff auf unsere Hörnerven bedanken wir uns bei JazzAttakk, bestehend aus Jan Oestreich, Christoph Klein und Billy Trebing.

 

Vielleicht kann ich Ihnen noch einen Insider-Tipp geben: Wenn Sie mal einen Trompetenspieler in ihren Reihen brauchen, fragen Sie bei unserem Preisträger nach. Wir kennen ihn nur als seriösen Herrn mit Anzug und Krawatte. Es soll aber auch eine Zeit davor gegeben haben, mit Che-Guevara-Bild an der Wand, fetziger Musik auf dem Plattenteller und Motorradtouren mit Kumpeln. Erst bei seiner Wahl zum Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Saar – kurz KV - , das war im Sommer 2004, versprach er seiner Frau, um mehr Zeit für die Familie zu haben, seine 1150er BMW zu verkaufen.

 

Dr. Gunter Hauptmann hat also viele Facetten. All zu große Eitelkeit gehört offenbar nicht dazu. Versuchen Sie mal, im Internet mehr als ein paar trockene Daten oder die ein oder andere Rede zu googeln. Also muss ich einige wenige prägende Ereignisse oder Grundzüge ansprechen, um sich wenigstens schemenhaft dem Charakter unseres Preisträgers zu nähern. Geboren in Regensburg, waren er und seine vier jüngeren Geschwister Teil des Wanderzirkus, der damals für aufstrebende Beamte durchaus normal war. Manche älteren Kollegen hier im Raum kannten noch seinen Vater, der 1987 seine Karriere als Oberpostdirektor im Saarland beendete und bis heute im Ruhestand in St. Ingbert lebt. Kurz vor dem Abi wollten die Eltern ihrem ältesten Sohn keinen weiteren Umzug zumuten. So blieb er das letzte Schuljahr allein in Bonn und kam – durch Wehrdienst und Studienbeginn in Mainz weiter verzögert – erst später ins Saarland. Dennoch: die Familienzusammenführung tat ihm offenbar gut, sonst hätte er sicher heute nicht seinen „kleinen“ Bruder zum Fest mitgebracht.

 

Nach dem Examen an der Uni in Homburg, Facharztprüfung, Promotion und stationärer Erfahrung an der Rastpfuhl-Klinik ließ sich Dr. Hauptmann 1990 als Frauenarzt in Saarbrücken nieder. Bis heute ist er Partner in einer Gemeinschaftspraxis, hat also die Freiheit, den Funktionärsjob aufzugeben und wieder im eigentlichen Beruf zu arbeiten – und genau das hat er bereits für die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts angekündigt. Innere Freiheit und Unabhängigkeit erlauben es ihm, nicht ständig nach Popularität innerhalb der Ärzteschaft schielen zu müssen.

 

Als unser Mitglied Klaus-Peter Klingelschmitt vor knapp einem Monat starb, ehrten ihn seine taz-Kollegen mit dem schönen Hesse-Zitat: „Ein anständiger Mensch macht keinen Schritt, ohne Feinde zu kriegen“. Das ist sicher überspitzt, aber in seiner Kernaussage liegt auch viel Wahrheit gerade für unseren Beruf. „Ein anständiger Mensch macht keinen Schritt, ohne Feinde zu kriegen“ – diese Erfahrung musste auch unser Preisträger machen, als er sich in die Berufspolitik begab. 2002 wurde er Landesvorsitzender der Frauenärzte, 2005 erster hauptamtlicher Chef der saarländischen KV. Inzwischen befindet er sich in seiner zweiten Amtszeit. Bei seiner Wiederwahl stimmten 26 von 27 Delegierten für ihn – ein Ergebnis, mit dem sonst höchstens noch LPK-Vorsitzende rechnen dürfen.

 

Wer nun meint, die große Zustimmung basiere auf einem Kuschelkurs und deshalb einen Widerspruch zum Hesse-Zitat sieht, der irrt. Kaum im Amt, musste sich Dr. Hauptmann mit schwarzen Schafen in der Ärzteschaft befassen. „Wir dulden keine Korruption und keinen Betrug“ – so lautete seine klare Ansage im Saarländischen Ärzteblatt. Tatsächlich wurden seither etliche Verfahren von der KV selbst betrieben oder zumindest die Ermittler bereitwillig unterstützt, und zwar unabhängig von Rang und Namen der Betroffenen. Dass man sich damit Feinde macht, liegt auf der Hand. Langfristig aber zahlte sich dieser klare Kurs aus.

 

Den Schlüssel zu diesem Verhalten finden wir meines Erachtens in dem ausgeprägtem Wertebewusstsein des Preisträgers. Für ihn ist Anstand keine leere Floskel, und er hat sich bis heute ein starkes Gerechtigkeitsempfinden bewahrt – unabhängig davon, dass er selbst zu den gut Verdienenden gezählt werden darf.

 

Hinzu kommen weitere Prinzipien, die für unsere Preisvergabe entscheidend waren: Information und Transparenz. Kaum gewählt, bezeichnete Dr. Hauptmann eine verbesserte Kommunikation als das wichtigste Nah-Ziel. Dass dies nicht nur KV-intern gemeint war, stellte er mit einem sofortigen Hintergrundgespräch mit der Presse unter Beweis. Dies ist inzwischen zu einem regelmäßigen Angebot geworden, bei dem ohne Tabus gefragt und geantwortet wird. Auch diesen Sommer waren wir wieder zu einem Gespräch eingeladen, bei dem die KV-Spitze mit viel Geduld versuchte, uns den Durchblick durch das Labyrinth der Gesundheitspolitik zu erleichtern. Vergleichbares hatten wir – das sei hier trotz aller Meinungsunterschiede zwischen den handelnden Personen dankend erwähnt – aus dem Bereich der Zivilgesellschaft bisher nur von dem Krankenkassen-Chef Armin Lang erlebt.

 

Um das Arbeitspensum eines KV-Vorsitzenden annähernd zu erfassen, nur einige Zahlen: Die hiesige KV hat fast 2.000 Mitglieder, betreut rund 1.360 Praxen, die etwa 2.500 Arzthelferinnen beschäftigen (das waren übrigens mal 6.000 – leider wird auch hier oft erst einmal an den Schwächeren gespart) und die KV bewegt – wenn man die veranlassten Leistungen der Ärzte mitrechnet – mindestens eine halbe Milliarde Euro. Interessant, in welchen Gremien Dr. Hauptmann alles mitarbeitet – ein Spiegelbild des breiten Aufgabenspektrums: Beirat bei der APO-Bank, Arbeitsgemeinschaft Telematik, AG für die Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen, Aesculap-Stiftung – wir sind noch beim Buchstaben A, und so breche ich das mal besser ab.

 

Lieber Herr Hauptmann, da gibt es genügend thematische Anknüpfungspunkte zu unseren bisherigen Preisträgern und mir Gelegenheit, diese namentlich zu begrüßen. Wir freuen uns sehr, dass Ikbal Berber wieder dabei ist. Bei den männlichen Preisträgern möchte ich einen besonders begrüßen, nämlich Ottmar Schreiner: es ist schön, dass Sie acht Jahre nach der Preisverleihung wieder zu uns kommen – wir haben Sie vermisst. Herzlich willkommen auch allen aus dem illustren Kreis der Preisträger, die uns mehr oder weniger regelmäßig die Ehre geben - zur Abwechslung mal in alphabetischer Reihenfolge: Asgar Abbazadeh, Albrecht Herold, Hajo Hoffmann, Dr. Burkhard Jellonek, Olivier Kirsch, Reinhard Klimmt, Jo Leinen, Clemens Lindemann, Rolf Linsler und Otto-Werner Schade.

 

Zur Vollständigkeit gehört es, daran zu erinnern, dass wir zum zweiten Mal auch eine LPK-Kröte vergeben haben. Eine Übergabe an Ex-Minister Karl Rauber, der sich in seiner Amtszeit beharrlich vor Pressekonferenzen gerade auch zu Kultur-Fragen gedrückt hat, war nicht möglich – und wir denken, angesichts der Probleme, die er im politischen Raum schon hat oder noch bekommen wird, sollten wir es damit gut sein lassen.

 

Nun sollten wir uns aber nicht länger die Laudatio von Herrn Staatssekretär Hecken vorenthalten. Wer könnte für die Festrede geeigneter sein? Sozial- und Gesundheitspolitik waren immer das Metier des „ordnungspolitischen Überzeugungstäters“ und „Programmatikers mit Faible fürs Soziale“, um zwei Überschriften zu Hecken-Porträts zu zitieren. Ich glaube, dass es tatsächlich Parallelen zwischen den beiden Hauptpersonen dieses Abends gibt: im Temperament sind sie ein Kontrastprogramm, bedächtig der eine, quirlig der andere, aber beide suchen von einem wertebezogenen Fundament aus nach dem Machbaren und beide haben gezeigt, dass transparentes Handeln sich auch in unbequemen Situationen letztlich lohnt.

 

Ein letzter Gedanke: Es ist gut, dass das Saarland in Berlin Freunde hat – und dazu zählen wir Sie, lieber Herr Hecken. Wahr ist aber auch: völlig unabhängig von der Frage, ob wir letztlich primär ein Einnahme- oder Ausgabeproblem haben - wenn wir hier unsere Hausaufgaben nicht machen, können und werden uns auch Freunde in Berlin nicht helfen. Unser letztjähriger Preisträger hat kürzlich in einem Internet-Blog dem Saarland schon das Sterbeglöckchen geläutet. In seiner bekannt provokativen Art mussten wir da lesen – Zitat: „Ob und inwieweit die sogenannte Eigenstaatlichkeit (des Saarlands) für BürgerInnen einen irgendwie gearteten Nutzen hat wird – zu Recht – von immer mehr Menschen bezweifelt. ... Das Unabwendbare und Zwingende wird geschehen, das Saarland, das nur von einer politisch-medialen Clique – mit Metastasen in der Wirtschaft – gebraucht wird, wird genauso wie die DDR aufhören zu existieren.“ Zitat Ende.

 

Liebe Freunde, strengen wir uns gemeinsam an, dass Roland Lorenz widerlegt wird. Es liegt zu einem guten Teil an uns selbst, ob ein eigenständiges Saarland für die Bürger Nutzen hat. Würden alle so unbestechlich, korrekt und verantwortungsbewusst arbeiten wie unser diesjähriger Preisträger, dann müsste uns nicht bange sein. Ich bin gespannt auf die Laudatio von Herrn Hecken.