Begrüßung und Würdigung

durch Michael Kuderna

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lieber Herr Lorenz,

sehr geehrter Herr Neumann,

liebe Gäste,

 

Zunächst ein dickes Kompliment, dass Sie trotz tiefstem Winter heute Abend gekommen sind. Natürlich haben es einige nicht geschafft, die sich ursprünglich angemeldet hatten, manche mussten auch noch kurzfristig gesundheitsbedingt absagen. Mein Telefon war seit gestern Abend im Dauereinsatz. Besonders bedauerlich ist es, dass die Schneefront keinen Respekt vor unserer Bundeshauptstadt zeigte. Kurzum, unser Festredner, der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Peter Schaar, hatte schon eingecheckt, aber dann gegen 8 Uhr abends aufgegeben. Er hat mir aber noch später am Abend versichert, wie leid ihm das tut – vor allem natürlich mit Blick auf unseren Preisträger, aber auch für die ganze Unternehmung. Er hatte noch diese Woche an seiner Rede gefeilt. Sie beginnt folgendermaßen: "Als ich erfuhr, dass Sie, lieber Herr Lorenz, von der saarländischen Presse geehrt werden sollen, habe ich mich aufrichtig für Sie gefreut. Zum einen ist es nicht unbedingt alltäglich, dass ein Datenschützer, also ein Nörgler qua Amt, oder - wie man auch sagen könnte - das institutionalisierte schlechte Gewissen, mit einer Auszeichnung bedacht wird. Zum anderen freut es mich auch ganz persönlich, dass Sie hier einen Preis erhalten, der Ihr Wirken, Ihren persönlichen Einsatz, würdigen soll. Die Goldene Ente gebührt also gleichermaßen dem Datenschützer wie dem Menschen Roland Lorenz." Es lohnt sich wirklich, die ganze Rede zu lesen.

 Nun hat sich Herr Neumann kurzfristig bereit erklärt, in die Bresche zu springen und ein paar Worte an den Preisträger und uns zu richten. Karsten Neumann war bis 1. Dezember Datenschutzbeauftragter in Mecklenburg-Vorpommern, ist Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und Chef der Beratungsfirma „Baltic Privacy Management“. Meine uneingeschränkte Bewunderung hat er jedoch aus einem anderen Grund: er ist, Herrn Lorenz zu Ehren, heute eigens aus Stralsund angereist und hat mit stoischer Ruhe eine wahre Odyssee auf sich genommen: mit der Bahn von Stralsund nach Hamburg, dann nach Frankfurt, wegen Verspätung Anschlusszug verpasst, weiter mit fußballtrunkenen Fans Richtung Mainz, angekommen aber in Wiesbaden, vor dort doch nach Mainz und schließlich mit dem Regionalexpress – welch hochtrabende Bezeichnung für einen an 12 Stationen haltenden Zug – nach Saarbrücken. Fast 12 Stunden unterwegs, 6 Bahnhöfe kennen gelernt – so eine Strapaze hat noch keiner unserer Gäste auf sich genommen!!! Vielen Dank dafür.

 

2010 – was war das auch abgesehen vom Dezemberwetter für ein turbulentes Jahr!    

Dabei dachten wir doch zu Beginn, nach dem Superwahljahr 2009 mit Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen könnte es ja 2010 etwas geruhsamer werden. Doch dann das: Die Integrationsdebatte; in unserem Bundesland politische Auseinandersetzungen von kaum gekannter Schärfe; Untersuchungsausschüsse; Skandale und Skandälchen, sogar die Kultur mittendrin; die Herkulesaufgabe, gleichzeitig Gas zu geben (in der Wirtschaft) und auf die Bremse zu treten (bei den Schulden); zwar auch der ein oder andere Hoffnungsschimmer im Land ( denken wir etwa an die relativ gute Entwicklung am Arbeitsmarkt), gleichzeitig unübersehbare Anzeichen von Resignation – kein Wunder, wenn man beispielsweise die seit Jahren immer gleichen Diskussionen um Stadion, Halle oder Saarbrücker Tunnel verfolgt und auf der anderen Seite sinnlich fast nichts Neues mehr erfahren kann, was für Dynamik stünde.

Selbst den traditionellen Neujahrsempfang kann sich nach Auffassung der Regierung unser Land nicht mehr leisten. Nur am Rande: Wäre unser Preisträger noch im Amt, hätte das Land von den ersparten Zusatzausgaben alle Neujahrsempfänge der gesamten Legislaturperiode bezahlen können.

 

 Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem trüben Hintergrund können wir ruhig ein wenig stolz sein, dass wir es schaffen, Jahr für Jahr ohne jede Subvention unser kleines, aber feines Enten-Fest auf die Beine zu stellen, Dank zu sagen für gesellschaftlich wertvolle Leistungen und dazu auch noch prominente Gäste ins Land zu holen – wenn sie der Wettergott denn lässt.

Als Gäste dürfen wir heute neben Herrn Neumann zu allererst Frau Lorenz begrüßen, weiter Herrn Thomas Brück, EDV-Spezialist und Herrn Georg Brenner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Die HWK fertigt seit Jahren in ihren Lehrwerkstätten unsere Enten und hat sich entschlossen, dies auch künftig zu tun – dafür Ihnen, Herr Brenner, und allen Beteiligten ein großes Dankeschön!!

Für uns bedeutet es immer eine besondere Freude, dass auch ehemalige Preisträger mit dem neuen feiern und den Gedankenaustausch mit uns pflegen. Willkommen, Frau Britz, und – jetzt streng nach dem Anciennitätsprinzip bezüglich der Enten-Verleihung – Albrecht Herold, Prof. Heinrich Schüssler, Oskar Lafontaine, Hajo Hofmann, Clemens Lindemann, Dr. Burkhard Jellonnek, Jo Leinen und Rolf Linsler.

Dass wir alle gemeinsam einen schönen Abend verbringen können, dafür sorgen Frau Thiel und ihr Restaurant-Team sowie das Trio Jazzattakk – schon jetzt vielen Dank für kulinarische und musikalische Genüsse.

 

Lassen Sie mich wieder zurückkommen auf meine vorherige Bemerkung, dass wir eigentlich ein ruhigeres Jahr erwartet und uns damit sehr getäuscht haben. In den letzten Wochen trugen dazu zwei außerhalb dieses Bundeslandes beheimatete Themen bei, die aber auch auf uns wirken werden.

Zum einen ist dies die Rückmeldung eines lange scheinbar abgetauchten Bürgertums in die großen gesellschaftlichen Debatten – Stichwort Stuttgart 21. Wer sich an die Rede von Heiner Geißler bei unserer Entefeier für Ottmar Schreiner, dem wir im übrigen bei seiner Genesung alles gute wünschen, erinnert, den hat sicher die power nicht überrascht, mit der er in Suttgart die Chance ergriffen und zelebriert hat, neue Wege des gesellschaftlichen Diskurses zu erproben. Das Thema mehr Bürgerbeteiligung wird uns ja voraussichtlich im nächsten Jahr auch in der Landesgesetzgebung intensiv beschäftigen.

Zum anderen denke ich an die Veröffentlichungen auf wikileaks. Diese Diskussion über Notwendigkeit und Grenzen veröffentlichter Informationen macht den heutigen Abend hochaktuell. Herr Lorenz war Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, eingesetzt von staatlichen Ebenen. Wer schützt welche Daten und warum? Oder anders rum gefragt: Wer missbraucht möglicherweise Daten, vor wem schützen wir uns? Unbestritten vor Verbrechern, Gaunern und mafiösen Strukturen, die mit Abzocke, Betrug oder Erpressung auf das Geld anderer aus sind. Etwas diffiziler wird es schon in den Grauzonen noch legaler wirtschaftlicher Betätigung, vom Kleingedruckten über raffinierte Verbraucher-Manipulationen bis hin zum Konsumterror durch Überschwemmung mit ungebetener Werbung.

Wir politische Journalisten beschäftigen uns mit einem weiteren potentiellen Täterkreis, nämlich öffentlichen Stellen, also dem Staat selbst. In Zeiten terroristischer Bedrohung die richtige Linie zwischen den Extremen grenzenloser Liberalismus und Überwachungsstaat zu finden, ist zugestandenermaßen nicht einfach. Die meisten Konflikte finden jedoch auf ganz anderer Ebene statt. Der Umgang mit öffentlichen Ressourcen und die Entscheidungswege sind es meistens, an denen wir Journalisten mit Datenschutz konfrontiert werden. Sei es der Umgang mit Spesen, die Ausgestaltung von Verträgen, die Besetzung von Stellen oder die Offenlegung von informellen Machtstrukturen – bei solchen Themen verschanzen sich manche Politiker immer wieder gerne hinter dem Datenschutz.

Wo selbst gewünscht: möglichst viel Abschottung privater Lebensumstände, sicher aber: möglichst viel Transparenz in öffentlichen, gesellschaftlichen Fragen – diese Leitlinie dürfte unbestritten sein. Schwierig wird es aber an den Schnittpunkten; z.B. dort wo „Freundschaften“ zu Beziehungsgeflechten werden, wo Kungelei in Korruption umschlägt, wo Gehaltsbestandteile und andere Ansprüche nicht mehr sichtbar sind, wo das Steuergeheimnis ungerechtfertigte Vorteile verschleiert.

 

 Nun waren Sie, Herr Lorenz, ja gleichzeitig für Datenschutz und die Informationsfreiheit zuständig. Einerseits schützenswerte Daten möglichst gut abzuschotten und andererseits Transparenz zu fördern – das ist ein erstaunlicher Spagat, den auch wir Journalisten meistern müssen. Ehrlicherweise müssen wir eingestehen, dass wir dabei einem Paradox unterliegen: vor allem bei investigativer Recherche müssen wir zunächst sehr viel mehr wissen als gerade im Alltagsgeschäft nötig. Wir brauchen viele Daten, auch Verknüpfungen, wir interessieren uns auch für Privates, um am Ende aus der Informationsflut das Wichtige heraus zu destillieren und schließlich qualitativ schreiben, sprechen oder ins Bild setzen zu können. Der Notwendigkeit dieses nicht immer unproblematischen Informationssammelns trägt der Gesetzgeber ja auch teilweise Rechnung, etwa mit dem Zeugnisverweigerungsrecht.

Aber das Mehr-Wissen bürdet uns auch ein hohes Maß an Verantwortung auf. Journalistische Ethik bedeutet hier, nicht alles zu veröffentlichen, was man erfahren und gesammelt hat. Die Selektion als ein journalistisches Grundhandwerk hat insoweit oft mehr mit Ethik zu tun als nur mit wertfreien Relevanz-Kriterien. Mir persönlich erscheint es deshalb auch sehr fraglich, ob die Wikileaks-Veröffentlichungen in einem deutschen Magazin zumindest in dieser Auswahl eine aufklärerische Großtat waren, wenn sich bei einem intensiven Blick in den Spiegel manche Enthüllung lediglich als treffende Charakterminiatur oder im Grund belanglose Geschwätzigkeit erweist.

 

Was hat das nun alles mit unserem diesjährigen Preisträger zu tun? Nun, Roland Lorenz hat sein Amt entschieden versehen, er hat sich seinen Auftrag im besten Sinne zu eigen gemacht. Auch dort geht es oft um Ethik und Verantwortung. Herr Lorenz hat stets den Grundsatz der „Datensparsamkeit“ verfochten, war jedoch zugleich von der notwendigen aufklärerischen Rolle der Medien in unserer Gesellschaft überzeugt. Er hat uns wiederholt geholfen, ohne zu einem eitlen Selbstdarsteller oder einer Plaudertasche zu werden. Er hat sich wiederholt mit den Mächtigen angelegt und allen Versuchen widerstanden, sich instrumentalisieren zu lassen.

Wer das hört und ihn nicht kennt, könnte auf die Idee kommen: entschiedene Datenschützer, Naturschützer, Lebensschützer und so fort – sicher alles asketisch-strenge Typen. Was Roland Lorenz angeht, wäre das weit gefehlt. Wir haben schon äußerlich einen barocken Menschen vor uns, dem man ansieht, dass er das Leben nicht als eine einzige Fastenzeit begreift. Er ist auch nicht uneitel. Virtuos versteht er es, bei Bedarf zwischen sehr verschiedenen Sprachebenen zu wechseln. Mal wortgewaltiger Savonarola mit einem Schuss Martyrerbewusstsein, mal subtil-spöttischer Qualtinger, mal leidenschaftsloser Jurist, mal charmanter und weltgewandter Gesprächspartner – manche dieser vielfältigen Teilcharaktere, sie sich bei unserem Preisträger zu einem Gesamtkunstwerk verbinden, hängt mit seiner Biografie zusammen.

 

In Nizza geboren, als Doppelstaatler mit einer französischen Mutter und einem deutsch-böhmischen Vater aufgewachsen, und dazu noch altlutheranischen Bekenntnisses – schon in der Jugend wurde ihm die Erfahrung zur Selbstverständlichkeit, anders zu sein als andere, als die Mehrheit rundherum. Früh lernte er, offen und offensiv seine eigene Meinung zu vertreten. Dank der Flexibilität der Saarländer kam er zu uns. Nur hier wurde ihm, der sich auch in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beworben hatte, das französische Reifezeugnis anerkannt und er durfte sich – mit Hilfe einer speziellen Prüfung - schon mit 17 Jahren an der Universität immatrikulieren. Nach den beiden juristischen Staatsexamen wurde er dem Saarland noch einmal untreu. Er arbeitete in Brüssel für den Verband der Ernährungsindustrie, für den europäischen Brauerei-Verband und für die Deutsche Bank. Schließlich zog es ihn – der Liebe wegen – wieder ins Saarland. Nun folgten Karriereschritte in der Finanzverwaltung, darunter Vorsteher des Finanzamtes in St. Wendel, eine Tätigkeit in der Obersten Finanz-Direktion und schließlich im Ministerium. 2004 übernahm er die Leitung des Datenschutzamtes.

 

Ich sagte es schon, er nahm seinen Auftrag ernst – so ernst, dass es ihm anscheinend derart verübelt wurde (es sei denn, das Amt wird generell geringgeschätzt), dass es bei der Versetzung in den Ruhestand in diesem Frühjahr nicht einmal eine offizielle Verabschiedung gab. Dabei hat er nie den sprichwörtlich pfurztrockenen Juristen gegeben. Wer sonst hätte einen Jahresbericht mit einer Parabel aus dem Tierreich begonnen – das war 2007 mit der Herrn Schaar wohl-bekannten Geschichte vom Frosch und dem heißen Wasser – oder in Presseerklärungen scheinbar harmlose Weisheiten eingestreut wie zum Beispiel – Zitat - „Nur das Rad ist bekanntlich nicht verbesserungsfähig“. In Grundfragen war er bisweilen der Auffassung von manchen Politikern voraus, etwa was sein jahrelanges Bohren nach Überführung des privaten Datenschutzes in eine unabhängige Behörde anlangt. Für unsere Wahl war vor allem seine erfolgreiche Intervention ausschlaggebend, um Journalisten im saarländischen Polizeigesetz doch noch von dem großen Lauschangriff und der vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung auszunehmen.

Nun sind Sie, Herr Lorenz, entgegen ihrer eigenen Lebensplanung im Ruhestand. Eine andere Bindung haben Sie inzwischen selbst gelöst – wobei ich festhalten möchte, wir haben Sie noch als CDU-Mitglied gewählt. Wer an unserer Unabhängigkeit zweifeln sollte: Wir hatten dieses Jahr einem Mitglied einer Jamaika-Partei die Goldene Ente zuerkannt und einem anderen Mitglied einer Jamaika-Partei die erstmals vergebene LPK-Kröte. Sie wurde am Montag Hubert Ulrich übergeben, da er Anfang des Jahres in der Landespressekonferenz beharrlich Auskünfte verweigert und berechtigte Fragen als „Verhörmethoden“ diffamiert hatte. Aber die Menschen entwickeln sich, und so hat Herr Ulrich ja immerhin die Chance, als erster Kröte und Ente zu erhalten. Nur schade, dass Träume so selten wahr werden.

 

 Bei einer Tasse Kaffee hatte ich Sie, Herr Lorenz, vor kurzem gefragt: Leiden Sie noch unter dem Verlust Ihres Amtes? „Inzwischen nicht mehr“, versicherten Sie, „ich bin ein freier Mensch, glücklich und froh“. Ein Stück weit liegt das auch an Ihrer Rolle als Großvater, für die Sie nun Zeit haben. Wir wünschen Ihnen, dass Sie das ein wenig für eine – bei allen Ecken und Kanten – erfolgreiche Arbeitszeit einschließlich des Raubbaus an Ihrer Gesundheit entschädigt. Wir hoffen gleichzeitig, dass Sie uns bei Bedarf weiter mit Rat zur Seite stehen – so wie Sie es über Jahre getan haben. Als Zeichen unseres Dankes und unserer Hochachtung dürfen wir Ihnen die Goldene Ente überreichen.