Goldene Ente 2014

 

Begrüßung und Würdigung

 

durch den LPK-Vorsitzenden Michael Kuderna

             

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,


das Saarland ist ohne Zweifel ein europa- und großregional begeistertes Land. Aber gilt das – so habe ich mich beim Schreiben dieser Rede gefragt - auch umgekehrt? Wer möchte der Beobachtung widersprechen, dass unsere Bedeutung in Europa in den letzten Jahren eher ab- als zugenommen hat.


Schauen wir uns als evaluierungsfähiges Beispiel nur einmal unsere Vertretung an: Im Europa-Parlament saßen in den vergangenen Jahren noch kurzzeitig vier, dauerhaft aber immerhin drei saarländische Abgeordnete. Alle drei (nämlich Doris Pack, Jo Leinen und Jorgo Chatzimarkakis) hatten Profil und gleichzeitig Rückkoppelung ins Land. Jetzt sind es nur noch zwei; und mit Jo Leinen ist nur noch einer von ihnen einflussreich. Er ist übrigens gerade als Chef der China-Delegation im Reich der Mitte unterwegs und bedauert, nicht wie gewohnt bei uns sein zu können. Der andere Abgeordnete folgt nach meinem Eindruck zu sehr dem Ruf seines Namens und steht mehr im Eck, als aktiv etwas zu bewegen. Und die Vertretung des Saarlandes in Brüssel? Bei allem Bemühen glänzt sie auch nicht besonders. Und Saarländer in der Kommission? Fehlanzeige.


Da kann man nur dankbar sein, dass unser Nachbarland immer wieder in die Bresche springt. So ist es kein Zufall, dass zum dritten Mal ein luxemburgischer Europäer mit uns feiert und die exklusivste Ehrung erhält, die das Saarland bieten kann. Herzlich willkommen bei uns, Herr Minister Asselborn, und auch Ihnen, Frau Asselborn und Herr Barbancey.


An dieser Stelle sei es mir erlaubt, auch an einen der unseren zu erinnern, der letztes Jahr noch hier dabei war. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass unser gemeinsamer Freund Jean-Claude Wolff auch heute mit uns feiern könnte. Mit ihm hat Luxemburg einen glaubhaften journalistischen Botschafter und die LPK einen wunderbaren Kollegen verloren.


Herr Asselborn, schön dass Sie da sind und es hierher geschafft haben. Da sieht man, welch glückliche Fügung die Nähe des Großherzogtums für das Saarland bedeutet, nur gut eine Autobahnstunde von uns entfernt. Bei Winterwetter ist es schwerer, aus dem Hochwald oder dem Gau hierherzukommen als aus Luxemburg - womit einige Absagen heute Abend erklärt sind. Andre gehen darauf zurück, dass das Immunsystem von uns Saarländern derzeit anscheinend kollektiv geschwächt ist und sich deshalb mehrere Mitglieder noch kurzfristig entschuldigen mussten.


Die Randlage des Saarlandes spüren wir im Übrigen auch immer stärker bei der Einladung eines Laudators. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ein namhafter Bundespolitiker, der schon mal mit der Kavallerie in kleine, aber einlagenstarke Nachbarländer einzumarschieren drohte, die verdutzten Delegierten des Juso-Bundesparteitags in Saarbrücken zusammenschiss, wie man eine solche Veranstaltung quasi an das nur nach stundenlanger Fahrt erreichbare Ende der bundesdeutschen Welt legen könne. Oder stellen Sie sich mal vor, sie müssten meinethalben von Bielefeld - so es denn existiert – mit dem Zug nach Saarbrücken kommen – da ist eine Weltreise ein Klacks dagegen.


Seien wir ehrlich – auch mental sind wir teilweise abgehängt. Wenn man in Berlin - etwa in der Bahnzentrale - oder auch in anderen deutschen Gestaden vom Herzen Europas redet, fällt denen doch zehnmal eher Luxemburg ein als das Saarland. Hätten wir nicht wenigstens die Konkurrenz mit der Pfalz bei den fliegenden Rössern gewonnen, wer weiß, ob dann unser heutiger Laudator hier sein würde. Lieber Herr Minister Altmaier, herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie uns in ihren sicher gut gefüllten Hauptstadtkalender eingebaut haben!


Es ist ein Glück für die Landespressekonferenz, dass wir ehemalige Preisträger haben, die auch einmal in die andere Rolle schlüpfen und eine - da bin ich jetzt schon sicher - mit Tiefgang und Humor gespickte Rede halten können. Das gibt mir die Gelegenheit, auch die anderen Entenbesitzer zu begrüßen, die heute Abend unter uns sind, nämlich Ikbal Berber, Manfred Plaetrich, Dr. Günter Hauptmann, Asgar Abbaszadeh, Dr. Burkhard Jellonek, Hajo Hoffmann und Helmut Macher. Wir freuen uns auch, dass Georg Brenner wieder bei uns ist. Ein großer Dank gebührt schließlich unserem Maestro am Flügel, Charles Robin Broad, der uns - als besondere Geste an den musikalischen Geschmack unseres Preisträgers - in die Irrungen und Wirrungen klassischer Werke entführt.


Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf unsere Grenzlage. Wie nie zuvor ist jetzt und in den nächsten Jahren der Selbstbehauptungswille der Saarländer gefragt. In Frankreich verschwinden oder fusionieren in kürzester Zeit ganze Regionen, in Deutschland droht das Gespenst der Länderneugliederung aus der Schatten- in die reale Welt zu wechseln. Galt das föderale Gebilde einst auch als Solidargemeinschaft, tönt es heute, ohne lange über möglicherweise nicht selbst verschuldete Ursachen für Notlagen zu diskutieren: „Soll doch jeder selbst für seine Schulden aufkommen“. Wer fühlt sich da nicht auch an manche Biertisch-Debatte zu Europa erinnert, wo auch nicht immer differenziert über Starke und Schwache, über tatsächlich selbstverschuldete oder konjunkturell bedingte Verwerfungen diskutiert wird. Unser Preisträger hat in dieser Frage mehrmals Solidarität eingefordert. Und weil sich der Luxemburgische Diplomatenchef für seine Kollegen ungewöhnlich klar äußerte, wird er schon mal - wie vor fast genau einem Jahr im Focus geschehen - als „Deutschland-Hasser“ tituliert.


Die LPK hat da ihre eigene Sichtweise. Wir zeichnen Sie, Herr Asselborn, gerade auch dafür mit der Goldenen Ente aus, dass Sie Klartext reden und nicht, wie bei so vielen Politiker-Statements üblich, täglich verlautbaren, wie sehr Sie besorgt sind, dies und jenes bedauern, ihre Hoffnung ausdrücken, zur Zurückhaltung mahnen und was es sonst noch an Floskeln aus dem Baukasten eines Außenpolitikers gibt. Wir nehmen nicht in der Sachauseinandersetzung Stellung, das obliegt nicht der LPK, sondern jeder und jedem einzelnen von uns, aber wir anerkennen ausdrücklich Ihre europäische Perspektive. Diese – so steht es in unserer Begründung – biete auch ein interessantes Pendant zu der medial und real oft vorherrschenden deutsch-französischen Sichtweise. Und dass Sie in Ihrer langen politischen Karriere nie den Draht zum Bürger in der Dorfkneipe verloren haben, das kommt beim Wahlvolk zu Recht an. Gerade erst gab es eine für die Luxemburger Koalition katastrophale Meinungsumfrage. Der einzige, der laut Luxemburger Wort „den Kopf aus der Schlinge zieht“, sind Sie. „Er gilt als der beliebteste und kompetenteste Minister“, heißt es dort weiter.


Manchmal, lieber Herr Asselborn, haben einige Saarländer in dem gesamten Kontext einen Traum. Wenn Deutschland uns nicht so recht liebt, wir ihm jedenfalls nicht teuer sind oder sein dürfen, warum vereinigen wir uns dann nicht mit Luxemburg? Unsere bescheidenen Briefkästen sind dort sicher noch unterzubringen, die Nordsaarländer haben ihrerseits noch Platz für einige hübsche Einfamilienhäuser, die das Ballungszentrum auf der anderen Seite der Mosel entlasten, die Spitze der Europäischen Kommission ist unserer Vision vielleicht sogar gewogen und wir machen ernst mit dem Saarland-Slogan „Großes entsteht im Kleinen“. Das Saarland wird mit der Fusion automatisch Mitglied in der Internationalen Organisation der Francophonie, der Luxemburg schon seit 1970 angehört, die Frankreich-Strategie der Landesregierung mit ihrer Sprachoffensive bekommt so noch den Stempel visionärer Voraussicht. Unsere Schulden bringen wir in eine großregionale Bad-Bank ein, falls Luxemburg sie nicht als Gastgeschenk akzeptieren sollte. Bofferding und Karlsberg werden als Oligarchen anerkannt, das Schengen-Lyceum zur Grande Ecole ausgebaut, Konzertsäle und Pavillons gemeinsam betrieben - wenn wir unsere Phantasie entfesseln, finden wir sicher noch viele schöne Visionen für eine gemeinsame Zukunft.


Sicher ein Traum, aber warum sollten wir uns nicht einmal trauen, kurz zu träumen. Denn wie jeder Traum hat er auch einen realen Kern: Wenn die Kleinen nicht zusammenstehen, wenn die Kleinen nicht die Wahrheit sagen, wie sollen dann hehre Ziele wie Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität im Großen funktionieren? Herr Asselborn, wir ehren Sie als einen Politiker mit Bodenhaftung, mit großem Engagement für die genannten Werte und für unser europäisches Haus, und nicht zuletzt als humorvollen Klartext-Sprecher. Dafür verleihen wir Ihnen die Goldene Ente der Landespressekonferenz Saar.