Goldene Ente 2012

 

Dankesrede von

 

Peter Altmaier

 

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

 

Lieber Kollege Franz Untersteller, lieber Herr Michael Kuderna, lieber Minister a.D. Alfred Wilhelm, Frau Oberbürgermeisterin, Herr Landrat, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen und Freunde,

 

ich bedanke mich ganz herzlich für diese großartige Auszeichnung. Ich kann mich noch erinnern, als sie zum ersten Mal verliehen worden ist. Wir hatten bei uns natürlich die Saarbrücker Zeitung im Abonnement – ich war bereits politisch interessiert –, schlage die Zeitung auf, und da steht: „Franz-Josef Röder wird mit der Goldenen Ente ausgezeichnet“. Da war meine erste Reaktion: Dann hat er es weit gebracht. Insofern ist diese Auszeichnung nicht irgend eine, sondern ich glaube, für einen Politiker, der aus dem Saarland kommt, ist es die größte und die schönste Auszeichnung, die es geben kann. Wenn man sie bekommen hat, braucht man nach formalen Ehren nicht mehr zu streben und man kann sich ganz der sachlichen Arbeit für die Zukunft widmen.

 

Ich möchte dir, lieber Franz Untersteller, ganz herzlich danken für diese wirklich großartige Laudatio. Wir kennen uns in der Tat erst seit sechs Monaten, aber es kommt mir manchmal vor wie 16 Jahre. Wir haben in all dieser Zeit natürlich auch unsere Aufgaben und Pflichten zu erfüllen - was nicht immer dazu führt, dass wir von Anfang an auf einer Linie sind. Aber wir finden meistens eine gemeinsame, weil wir beide glauben, dass Politik auch darin besteht, dass man im menschlichen Miteinander zu Ergebnissen kommt. Wir haben sehr vieles gemeinsam, das ist mir schon aufgefallen. Allerdings, es gibt auch einen nicht unerheblichen Unterschied. Als du mir dieses Buch geschenkt hast, am zweiten Tag meiner Amtszeit, habe ich gelesen, was deine Lebensphilosophie ist: „Omm Zwelleff wärrd gäss!“ *. Das glaub ich dir gerne. Bei mir allerdings, lieber Franz, wird „gäss“ fast rund um die Uhr. Leider Gottes sieht man das auch, und wenn jetzt meine Mama mich über Silvester in Berlin besucht, was wir traditionell machen, wird sie das Buch im Bücherregal sehen und dann wird sie sagen: „Hol dir mal ein Beispiel. Der sieht net umsonst viel besser aus wie du“.

 

Ich habe mich sehr gefreut, dass so viele ehemalige Preisträger hier sind, der frühere Landtagspräsident, viele andere, der Heinrich Schüssler, aber vor allen Dingen der Alfred Wilhelm. Aus zwei Gründen. Zum einen: Der Alfred Wilhelm ist - Partei-Zugehörigkeit hin oder Partei-Zugehörigkeit her - für uns alle ein politisches Urgestein, das unser ganzes politisches Leben begleitet und bestimmt hat. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie er damals Finanzminister geworden ist, dann die höchsten Höhen in der Politik im Saarland erklommen hat und vor allen Dingen als politischer Kommunikator unübertroffen war. Wenn der Alfred Wilhelm damals Minister geblieben wäre, wäre die CDU wahrscheinlich bis heute ununterbrochen an der Regierung geblieben. Das ist wahrscheinlich nicht allen in diesem Lande so recht. Alfred Wilhelm hat heute auf den Tag seinen 92. Geburtstag. Lieber Alfred, herzlichen Glückwunsch im Namen von uns allen.

 

Ich habe mich über diesen Preis auch deshalb so gefreut, weil mich ein langes, intensives und wechselfälliges Verhältnis mit der saarländischen Presse verbindet, das immer von hohem Respekt geprägt war und heute noch ist, aber nicht ohne Leiden zu allen Zeiten abgelaufen ist. Ich habe heute noch einmal nachgeforscht, wie das war. Die erste Erwähnung meinerseits in einer Saarbrücker Zeitung geschah im Jahre 1970. Da war ich bei einem Messdiener-Zeltlager in Bierfeld. Das ist in Rheinland-Pfalz und damals aus unserer Sicht im „Reich“. Es gab einen Bericht. Natürlich wusste niemand, wer Peter Altmaier ist. Ich war 11 Jahre alt und saß da mit einem Butterbrot mit „Fenner Harz“ und habe herzhaft hineingebissen. Das hat den Journalisten gefallen und hat den, der das Foto gemacht hat, inspiriert.

 

Danach kann in der Tat eine gute Zeit in der Schülerunion. Damals war Alfred Schön noch bei der Saar-Zeitung und ich musste ihm immer aus dem Kreuz herausleiern, dass unsere Aktivitäten dort Erwähnung fanden. Wenn alles nicht mehr half, habe ich ihm gesagt, dass die Saarbrücker Zeitung aber garantiert die Meldung bringt, und dann sagte der Alfred Schön: „Ich gugge mol, was ich mache kann“. Dann bin ich 500 Meter weiter vom Kleinen zum Großen Markt zur Saarbrücker Zeitung und habe denen gesagt, also die Saar-Zeitung, die bringt die Meldung; jetzt bin ich mal gespannt, ob ihr das auch hinbekommt. Und so waren das dann kleine, zehnzeilige Meldungen über die Schülerunion, auf die wir wahnsinnig stolz waren.

 

Später, in der Jungen Union, gab es mal eine Situation, als der Peter Müller und der Peter Altmaier Interesse an ein und dem selben Amt hatten, ich glaube, der Heinrich Schüssler weiß das noch und der Udo Recktenwald ganz bestimmt, ein berühmter Landestag in St. Wendel mit gefühlten 3.000 Teilnehmern, Transparenten, Slogans usw. Der Saarländische Rundfunk, die Saarbrücker Zeitung und Radio Salü haben das alles später immer sehr ordentlich und sehr schön für die Nachwelt dokumentiert.

 

Die Zeit der Leiden begann, als ich 1994 in den deutschen Bundestag gewählt wurde. Damals war Bernard Bernarding der Korrespondent der Saarbrücker Zeitung in Bonn. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, als ich in den Bundestag kam, führte die Saarbrücker Zeitung eine Kolumne ein: „Unsere Abgeordneten in Bonn“. Dort sollte berichtet werden, was man für die saarländischen Interessen erreicht hat. Nun war der Peter Jacoby im Haushalsausschuss. Da war das überhaupt gar nicht schwer. Der Helmut Rauber war im Verteidigungsausschuss. Da war das wegen der Bundeswehr-Standorte auch nicht schwer. Der Klaus Töpfer ist gar nicht gefragt worden, der war nämlich Minister. Bei der SPD gab es den Hans-Georg Wagner, die Elke Ferner und den Otmar Schreiner; die waren Opposition, die konnten sich den ganzen Tag was ausdenken – sie mussten es ja nicht umsetzen. Ich war damals im Rechtsausschuss, im Europaausschuss und im Petitionsausschuss. Und da gab es natürlich eher wenig Berührungspunkte. Außerdem hatte ich als angehender junger Wilder viel zu tun und meistens den Redaktionsschluss verpasst. Als nun die dritte Kolumne erschienen ist, ohne dass Peter Altmaier erwähnt wurde, wurde ich von Kurt Schönen zum CDU-Kreisvorstand zitiert. Es gab ein Scherbengericht über den unsichtbaren Abgeordneten der CDU des Kreises Saarlouis in Bonn. Ich wurde verpflichtet, mit Bernard Bernarding Kontakt aufzunehmen. Wir haben uns dann im Bundestagsrestaurant getroffen. Es war ein Sommerabend und wir saßen draußen auf der Terrasse. Da habe ich mir gedacht, am Besten bin ich mal ganz ehrlich zu ihm, und habe gesagt: na ja, ich bin in den Rechtsausschuss gegangen und in den Europaausschuss, ich möchte nämlich gerne Bundespolitik machen. Da guckte mich der gute Bernard an, als wäre gerade ein Ufo vom Mars gelandet, und hat gedacht, dem jungen Mann werden die Flausen noch ausgetrieben. So fühlte ich mich damals auch. Ich habe dann fleißig Meldungen produziert und auch meistens den Redaktionsschluss erreicht. Irgendwann wurde zu meiner großen Erleichterung die Kolumne wieder eingestellt, und dann hatte ich Zeit und Muße, mich auf meine eigentlichen Aktivitäten zu konzentrieren.

 

Da ist mir übrigens aufgefallen, dass politische Kommunikation nicht nur abhängig ist von politischem Fleiß und von Einsatz und von Erfolg, sondern dass politische Kommunikation eben auch abhängig ist von Kommunikation - im besten Sinne des Wortes. Und ich habe bis heute gebraucht, um die Gesetze zu verstehen; ich glaube, ich habe sie noch immer nicht wirklich verstanden. Ein Punkt war beispielsweise , dass mich nie mehr jemand nach meinem Beitrag für die Kolumne gefragt hat, nachdem ich erfolgreich Gründungsmitglied der schwarz-grünen Pizza-Connection wurde. Es ist ein Wunder: es gibt und gab viele Gesprächskreise, aber dieser eine, die Pizza-Connection, ist bis heute unvergessen, obwohl ja außer den Gründungsmitgliedern - acht Grüne – acht Schwarze – nie jemand dabei war. Die waren alle draußen. Wir saßen im Keller beim Italiener in Bonn-Kessenich, Helmut Kohl hatte seinen Aufpasser oben positioniert, um zu sehen, wer reingeht und wann sie wieder rauskommen. Aber bis heute vergeht keine Woche, wo die Pizza-Connection nicht irgendwo in der Zeitung erwähnt wird, und es vergeht kein Monat, wo nicht ein Journalist vom Wirt den Keller gezeigt haben möchte, wo denn diese konspirativen Treffen stattfanden. Was – lieber Franz – die Legenden über das Essen angeht, so kann ich authentisch heute Abend bestätigen: Es gab in der Tat niemals Pizza. Das lag aber nicht an dem damals jungen Bundestagsabgeordneten Peter Altmaier, sondern es lag daran, dass die Speisekarte von dem Grünen-Bundestagskollegen Matthias Berninger zusammengestellt worden ist. Der hat sich dort immer sehr ausgelebt, und am Ende erklärten die Grünen, sie hätten kein Geld dabei, ob wir in Vorlage treten können. Das haben wir zweimal akzeptiert, Nachdem dann einige ergänzende Sozialhilfe beantragen mussten, haben wir die Zahlungsmodalitäten bei künftigen Treffen im Voraus geklärt.

 

Das hat aber nicht verhindert, dass wir damals alle die Erfahrung gemacht haben, dass politische Zusammenarbeit auch über Parteigrenzen hinweg stattfinden muss und kann. Das habe ich auch von Alfred Wilhelm gelernt und Zeit meines Lebens beherzigt. Man ist politischer Gegner, aber man ist kein politischer Feind. Und das hat, glaube ich, der politischen Debatte in den letzten Jahren gut getan. Damals war es ein Tabubruch auch auf Seiten der Grünen, mit der CDU zu reden. Die mussten sich dafür rechtfertigen bei der grünen Basis.

 

Wir wurden auch nicht nur bewundert. Nun kam ein Landesparteitag mit der Listenaufstellung für die Bundestagswahl 1998. Ich hatte einen Gegenkandidaten, keinen unwichtigen, den Albrecht Feibel, hochgeachtet. Es ging ja um einen Listenplatz, und ich hatte lauter Themen, die in der Partei nicht so populär waren. Das war die schwarz-grüne Pizza-Connection, das war mein Eintreten für eine Reform des Staatsangehörigkeits-Rechts, um die Integration der hier lebenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu befördern, das war mein Eintreten für die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren, das war mein Eintreten auch in einer Abstimmung über Parteigrenzen hinweg mit Rita Süssmuth, Heiner Geißler und einiger anderer für die Strafbarkeit bei Vergewaltigung in der Ehe, was damals ein Streitthema war - heute versteht das niemand mehr. Jedenfalls dachte ich, o Gott, was sagst du jetzt. Ich kann mich ja nicht entschuldigen, es ist ja meine Überzeugung. Dann bin ich vor den Parteitag und habe gesagt: Meine Damen und Herren, ich habe mich in diesen vier Jahren für Themen engagiert, wo viele von Ihnen wahrscheinlich glauben, dass es nicht richtig ist, oder dass es anders sein sollte; es ist meine persönliche Überzeugung, also hier stehe ich und kann nicht anders. Und dann habe ich hinzugefügt: Im übrigen bin ich ganz entschieden der Auffassung, dass es nicht so sein kann, dass wir im Saarland immer nur die Arbeit machen, und die Baden-Württemberger, Bayern und Nordrhein-Westfalen machen die Interviews. Da hat der Saal getobt, alle haben mich gewählt und die politische Karriere war gerettet. Das ist auch saarländischer Zusammenhalt.

 

Ich habe die saarländische Presse immer wieder auch als Chronisten und als Begleiter sehr geschätzt, weil immer dann, wenn es irgendwo spannend geworden ist, rief jemand an vom Saarländischen Rundfunk oder von der Saarbrücker Zeitung. Diese Verbundenheit mit Zuhause hat mir damit auch Kraft gegeben, weil ich mir dachte, wenn sie der Meinung wären, dass ich alles nur falsch mache, würden sie sich vielleicht nicht immer wieder melden. Trotzdem ist es natürlich keine Gewähr, denn wenn man Bundesumweltminister ist, dann wird man auch interviewt, wenn man alles falsch macht und vielleicht sogar deswegen.

 

Ich glaube, ich bin für das, was ich in diesen Zeiten erlebt habe, gut vorbereitet worden für das Amt, das ich jetzt bekleiden darf. Soweit ich weiß – bitte korrigieren sie mich - ist es das erste Mal, dass ein saarländischer Bundesminister in dieser Eigenschaft mit der Goldenen Ente ausgezeichnet wird. Ich habe mich gefragt, woran das gelegen hat. Wahrscheinlich waren meine beiden unmittelbaren Vorgänger nicht lange genug im Amt, damit die Landespressekonferenz mit ihrer Auszeichnung hinterher kommen konnte. Bei mir ist es bereits vorher entschieden worden. Ich freue mich, dass mit Franz Untersteller heute jemand gekommen ist, der mit einen Anteil daran haben wird, dass ich in den nächsten Wochen und Monaten Erfolg habe. Wir bauen darauf, dass sich Baden-Württemberg weiterhin konstruktiv verhält, denn wir alle sitzen ja in einem Boot. Ich habe übrigens im Sommer mit ihm einmal eine Meinungsverschiedenheit gehabt und zwar habe ich wie eine tibetanische Gebetsmühle gesagt: wir müssen eigentlich erreichen, dass die Energiewende in einem nationalen Konsens vollzogen wird, wir brauchen ein nationales Konzept, und es kann nicht sein, dass es 16 verschiedene Konzepte von 16 verschiedenen Bundesländern gibt. Da war was los. Und dann habe ich gepredigt wie der Wanderer in der Wüste. Inzwischen hatten wir ein Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, an dem ich teilnehmen durfte. Dort haben die Bundesländer wie ein Wunder erklärt, sie wollten eine nationale Ausbaukonzeption, und sie haben auch erklärt, dass sie bereit sind, ihre eigenen Konzepte zu modifizieren - sie haben vorsichtshalber noch nicht gesagt, ob nach oben oder nach unten; da sind die Vorstellungen noch nicht ganz auf einer Linie, aber daran arbeiten wir.

 

Ich werde diese Ente in Ehren halten. Es ist gesagt worden, eine Ente à l’orange wäre mir wahrscheinlich lieber gewesen; es ist bekannt, ich bin ein Hobby-Koch. Wenn gar nichts mehr im Kühlschrank ist, dann werde ich mal versuchen, ob ich das Biest weich kriegen kann. Wenn mir das gelingt, dann schreibe ich auch so ein Buch, andernfalls, wenn es mir nicht gelingt, was eher wahrscheinlich ist, werde ich meine Kräfte darauf konzentrieren, dass ich gemeinsam mit Franz Untersteller und mit allen anderen, die hier sind, noch ein paar Jahre die Politik mache, die dann dazu beitragen wird, dass sie sagen werden: Die Entscheidung war nicht ganz falsch. In diesem Sinne herzlichen Dank für die Auszeichnung und einen schönen Abend.

 

* Paul Glass (Hg.): Omm Zwelleff wärd gäss! Eß- & Trinkgeschichten, Rezepte & mehr aus Ensheim-Saar. 2011. Minister Franz Untersteller brachte das Buch, zu dem er einige Rezepte beigetragen hat, als Geschenk für Peter Altmaier mit.