Laudatio

 

von

 

Josef Hecken

 

Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ehem. saarländischer Gesundheits- und Sozialminister

 

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Hauptmann, sehr geehrter Herr Dr. Kuderna, liebe Gäste,

 

Herr Dr. Kuderna hat mich gebeten, mich bei der Laudatio möglichst kurz zu halten, damit wir nicht nur Reden hören, sondern auch noch gemeinsam feiern können.

 

Dieser Bitte komme ich gerne nach und deshalb verzichte ich darauf (obwohl das Weihnachtsfest, das vor der Tür steht, es eigentlich nahe legen würde), in dieser Laudatio zu untersuchen, ob Herr Dr. Hauptmann, und wenn ja in welchem Umfang, möglicherweise schon bei den Geschehnissen um Christi Geburt als Gynäkologe involviert war. Hier stellen sich ja vielerlei Fragen, die anfangen bei der unbefleckten Empfängnis, möglicherweise künstliche Befruchtung, oder auch: war damals eine Hebamme dabei oder nicht?

 

Aber - wie gesagt, Herr Kuderna hat ein Machtwort gesprochen und deshalb fange ich wesentlich später an. Ich beginne mit der Laudatio im Jahr 1504. Was war damals, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor gut 500 Jahren? Ich will es Ihnen verraten: Damals haben die Franzosen in Apulien die Stadt Barletta belagert. Herr Dr. Hauptmann war nicht dabei. Auch kein Vorläufer von ihm, wahrscheinlich war deshalb auch die Lage so aussichtslos. Die Stadt war umzingelt. Man war von der Außenwelt abgeschnitten; Hunger, Elend

und Mutlosigkeit haben sich in der Bevölkerung breit gemacht. Die einzelnen Gruppen innerhalb der Stadt haben sich weniger damit beschäftigt, den gemeinsamen Feind zu bekämpfen, sondern haben untereinander a) um die beste Strategie und b) um die verbliebenen Lebensmittel gestritten.

 

Dann kam jemand, den wir unter dem Namen Hector kennen. Hector wird auch als „Ritter ohne Furcht und Tadel“ bezeichnet. Hector schaffte es innerhalb kürzester Zeit, die zerstrittenen Gruppen innerhalb dieser belagerten Stadt Barletta zu einer einheitlichen, kampfkräftigen und schlagfähigen Einheit zusammen zu führen. Er hat den Menschen Überzeugung und Mut gegeben, und so gelang es am Ende, die Belagerer zu besiegen und die Stadt zu befreien.

 

Um Missverständnissen vorzubeugen, damit nicht nachher Beschwerden kommen:

 

Erstens: Die Kassenärztliche Vereinigung des Saarlandes war auch bevor Dr. Hauptmann dort die hauptamtliche Führung übernommen hat trotz manchmal gegenteiliger Verlautbarungen kein Ort, an dem Hunger und Elend geherrscht haben. Das muss man klar sehen. Was ich nicht ausschließen kann und auch nicht ausschließen will, ist, dass es aber gelegentlich bis häufiger innerhalb der KV Zwietracht gegeben hat, dass die einzelnen Gruppen manchmal auch um die verbleibenden Lebensmittel oder Honorare gekämpft haben, dass man sich manchmal mehr mit sich selbst beschäftigte als mit anderen Dingen, die vielleicht in der Außenwelt sich abgespielt haben. Ich nenne nur das Stichwort Honorarverteilung.

 

Dr. Hauptmann - das ist der zweite Punkt, den ich der Ordnung halber bemerken will - ist auch kein Ritter: das beweist der Umstand, dass er niemals ein Pferd hatte, sondern lediglich ein Motorrad, und der Umstand, dass sein Vater nicht von Adel war, sondern Beamter, nämlich Oberpostdirektor.

 

Drittens - auch eine wichtige Feststellung, um das Wirken dann endgültig und final würdigen zu können: Die Krankenkassen im Saarland haben die KV auch vor dem Amtsantritt von Dr. Hauptmann niemals belagert und umzingelt, dafür waren und sind sie sich bis heute viel zu uneinig, als dass sie es schaffen würden, einen Belagerungsring von einigermaßen Tragfähigkeit zu erstellen.

 

Und trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es große Parallelen zwischen unserem heutigen Preisträger und Hector. Beiden gemeinsam ist, dass sie mutig sind, dass sie Tatkraft haben, dass sie - und das ist, glaube ich, das Wichtigste - Überzeugungskraft haben, Kompetenz und Uneitelkeit.

 

Dass aus dem Sohn eines Oberpostdirektors, der in der postpubertären Phase - das habe ich mit Schrecken gehört - einige Jahre allein im sündigen Rheinland leben musste, Bilder von Che Guevara an der Wand hatte und auch noch , das hat Herr Dr. Kuderna nicht erwähnt, ausländisch-sozialkritische Musik gehört hat, trotzdem noch ein anständiger Mensch werden kann, das sehen wir an Dr. Hauptmann. Für mich ist es aus der Kenntnis seiner Person auch

folgerichtig, dass er, wenn schon Arzt und nicht Oberpostdirektor dann zumindest Gynäkologe geworden ist.

 

Denn Dr. Hauptmann liebt das Konkrete, er will konkrete und greifbare Ergebnisse sehen. Und das ja ist beim Gynäkologenberuf regelmäßig nach neun Monaten der Fall, wenn man das Ergebnis ärztlicher Bemühungen real, live und in Farbe besichtigen kann. Man kann es dann noch einen halben Tag schön reden, aber dann ist das Produkt auch da und man kann es besichtigen.

 

Solche konkreten Ergebnisse braucht der Preisträger. Deshalb ist auch klar - für mich war es immer klar - dass er weder Psychotherapeut noch Allgemein-Internist geworden ist, denn diese Professionen geben in der Regel ja nur mit Unterstützung der pharmazeutischen Industrie Heilsversprechen auf die Zukunft ab, deren Eintritt in der Regel höchst ungewiss ist. Man bekommt eine Tablette, der Doktor sagt, es wird besser, aber ob es besser wird - da hilft dann meistens nur noch Beten.

 

Das verbindet Psychotherapie und Internistik auch ein Stück weit mit der Politik. Wir geben ja auch meistens Heilversprechen auf die Zukunft ab, deren Eintritt ungewiss ist. Der einzige Unterschied zwischen Internisten und Psychotherapeuten und den Politikern ist, dass wir nicht alle von der pharmazeutischen Industrie unterstützt werden, sondern nur Ausgesuchte gefördert werden. Deshalb war und ist für mich auch eigentlich klar, dass Herr Dr. Hauptmann jedenfalls kein Politiker im üblichen Sinne geworden ist, sondern sich auf die Verbandspolitik beschränkt hat, und dieser Weg - jetzt komme ich zum ernsteren Teil - war richtig und erfolgreich.

 

Es war mutig, sich mit Einführung der hauptamtlichen KV-Vorstände als Angestellter an die Spitze einer alles andere als homogenen Gruppe wählen zu lassen und die Freiheit eines niedergelassenen Arztes mit gut gehender Praxis gegen die Abhängigkeit von manchmal unbeherrschbaren, nicht steuerbaren Gremien einzutauschen, in denen unterschiedliche Arztgruppen mit unterschiedlichen Erwartungen um wichtige Dinge streiten. Und wenn man sich einmal die Kollegen in anderen Bundesländern betrachtet, dann kann man sagen, dass Dr. Hauptmann vieles richtig gemacht haben muss, viel Überzeugungskraft investiert haben muss. Das Wahlergebnis war – jedenfalls habe ich von den internationalen Wahlberichterstattern nichts Gegenteiliges gehört - deutlich besser als das von Putin und auch noch ohne Manipulation zustande gekommen.

 

Vor allem bei der Honorarverteilung, also bei dem lieben Geld, hört ja bekanntermaßen die Freundschaft und bei den meisten Ärzten - nicht bei allen - auch der Altruismus auf.

 

Vor diesem Hintergrund sich dieser Herausforderung zu stellen, hier lenkend und vermittelnd wirken zu können, das zeugt für mich von Mut. Es wäre einfacher gewesen, sich auf die Besuchertribüne zu setzen und dann mit Steinen auf diejenigen zu werfen, die die Verteilungsentscheidungen treffen müssen, und dann zu sagen, die Fachärzte kriegen zu wenig, die Hausärzte kriegen zu wenig, und dann mit lautem Geplärre seine eigenen Interessen durchzusetzen, als den Versuch zu unternehmen, die unterschiedlichen Interessen zu bündeln.

 

Der Mutige unterscheidet sich vom Leichtsinnigen dadurch, dass er weiß, was er realistischerweise schultern kann. Der Leichtsinnige rennt einfach ins Verderben und merkt dann plötzlich, da ist wieder eine Betonwand, wo ich mit dem Kopf dagegen geknallt bin.

 

Dr. Hauptmann wusste um seine fachliche Kompetenz, seine Überzeugungskraft und seine Tatkraft. Dadurch hat er es nach meiner Wahrnehmung geschafft, unsere KV hier im Saarland - ich sage bewusst unsere KV - in seiner Amtszeit anders als andere KV-en zu einen und zusammen zu halten und sie stark zu machen.

 

Mit seiner Tatkraft ist sie nach meiner Wahrnehmung zu einer gewichtigen Größe geworden, in der die Ärzte eigentlich zum ersten Mal - jedenfalls ohne allzu sehr in der Öffentlichkeit Disputationen auszutragen - gemeinsam und mit einer Stimme für die Interessen der Patienten und natürlich auch für ihre eigenen Interessen kämpfen.

 

Das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis harter Arbeit, stundenlanger Sitzungen und manchmal auch zermürbender Kleinkriege, bei denen Dr. Hauptmann immer ruhig, immer sachlich und immer mit großer Kompetenz und Überzeugungskraft den Weg gewiesen hat.

 

Auch ich habe als Gesundheitsminister in diesem schönen Land häufig genug feststellen müssen, dass Dr. Hauptmann zwar angenehm und freundlich im Umgang, aber knochenhart in der Sache war und ist. Für allgemeines Geschwafel oder faule Kompromisse war er nie zu gewinnen, weil er die Dinge immer bis zum Ende gedacht hat und wusste, - das unterscheidet ihn auch wieder von dem ein oder anderen Politiker - dass die meisten Formelkompromisse in der Regel nur wenige Tage halten und danach das Chaos noch größer ist als zuvor.

 

Deshalb sind wir an dieser Stelle wieder beim Gynäkologen angelangt:

 

Klare, belastbare und tragfähige Ergebnisse, das war das Einzige, was er akzeptiert hat. Und das hat mich immer sehr beeindruckt!

 

Hier kam auch immer ein wenig - und ich sage das im positiven Sinne - der Vater als Oberpostdirektor durch, denn zu Zeiten der Oberpostdirektionen ging es nicht um politische Effekthascherei, sondern um präzise und vorzeigbare Aufgabenerfüllung. Heute ist ja Werbung meistens wichtiger als die Postzustellung. Die Werbung der Post und der Telekom ist toll, die Produkte funktionieren nicht mehr, vorher war es gelegentlich umgekehrt.

 

Die Wiederwahl von Dr. Hauptmann mit einem Traumergebnis von über 90 Prozent ist der Beweis dafür, wie kompetent und präzise er seine Aufgaben erfüllt hat. Er hat als KV-Vorsitzender, das hat Herr Kuderna gesagt, keinen Schmusekurs mit den Ärzten gefahren, sondern die Versorgungsstrukturen verbessert und die Qualitätsentwicklung voran getrieben, unangenehme Verfahren betreiben müssen und dabei heilige Kühe geschlachtet. Er musste auch manchen auf die Füße treten. Er hat es aber immer mit Respekt, Anstand, Würde und Kompetenz getan. Das zeigt sich in dem überwältigenden Vertrauensbeweis.

 

Etwas, was ihm dabei ganz besonders geholfen hat, ist seine absolute Uneitelkeit. Dr. Hauptmann hat sich nie in den Vordergrund gestellt, drängelt sich nie vor, wenn irgendwo eine Kamera steht, und bläst sich niemals künstlich auf, sondern bleibt immer konkret, sachlich und zurückhaltend. Das musste ich leider einmal selbst leidvoll erfahren. Dabei habe ich auch etwas gelernt.

 

Ich erinnere mich an eine gemeinsame Pressekonferenz, in der der neu gewählte KV-Vorsitzende mit mir gemeinsam die Weiterentwicklung der ambulanten Notfallversorgung am Wochenende durch Arztpraxen am Krankenhaus der Öffentlichkeit verkünden wollten. Dieser Entwicklung war ein jahrelanges Gezerre um Vergütung und ähnliche Belanglosigkeiten vorangegangen. Jetzt war etwas gelungen, was ein echter Durchbruch war.

 

[Mein Pressesprecher] Stephan Kolling hatte wie üblich alles organisiert, der Aktuelle Bericht war mit einer Kamera da, der Hörfunk und die Printmedien waren versammelt. Also sieben Leute, der Saal war voll. Ich habe dann das übliche Hecken’sche Kurz-Einleitungsstatement von mindestens 30 Minuten gehalten. In diesem Hecken’schen Kurz-Einleitungsstatement habe ich ein verbal erotisches Feuerwerk gezündet und die Segnungen für die Bevölkerung und die armen kranken Menschen gepriesen. Das Saarland, dessen Gesundheitspolitik und natürlich dessen Gesundheitsminister waren wieder einmal an der Spitze der Versorgung in der ganzen Welt.

 

Man konnte nach meinem Vortrag den Eindruck haben, als kämen demnächst Delegationen aus Amerika, Russland oder China, um zu besichtigen, wie am Wochenende am Rastpfuhl in einer Klinik ein Kind mit Schweißfüßen oder Nasenbluten von einem Arzt behandelt wird.

 

Natürlich war das alles, was ich gesagt habe, richtig, und ich war ja auch durch Eid der Wahrheit verpflichtet. Was ich gesagt hatte, sollte auch dem Letzten verdeutlichen, wie sehr sich der uneigennützige Gesundheitsminister für das Land und seine Menschen aufopfert und bis zum Rande der Erschöpfung kämpft. Soweit, so gut! Es war also alles supertoll. Alle Spulen waren schon voll und ausgewechselt und die Kameraleute ermattet.

 

Dann kam Dr. Hauptmann. Er sagte nur drei Sätze:

Erster Satz: Wir verbessern die medizinische Versorgungsqualität am Wochenende und verhindern „Selbsteinweisungen“ in Krankenhäuser, die unnötig sind.

Zweiter Satz: Es war ein schwieriger Weg, das zustande zu bringen, und ich bin froh, dass es gelungen ist, im Saarland an den Standard in anderen Ländern anzuknüpfen.

Dritter Satz: Hoffentlich funktioniert das System reibungslos in der Zukunft! Ende des Statements.

 

Damit war eigentlich auch alles gesagt, das war ein typischer Dr. Hauptmann. Meine verbal erotischen Feuerwerksraketen stürzten zurück auf die Erde, ohne die von mir erhoffte Leuchtkraft entfaltet zu haben. Der aktuelle Bericht hat auch die drei Sätze von Dr. Hauptmann gebracht, weil die nicht geschnitten werden mussten. Bei mir musste man vieles rausnehmen.

 

Dr. Hauptmann hatte ganz einfach, ohne bösartig zu sein, die Raketen nass gemacht und aus meinen Worthülsen die Luft heraus gelassen. Die von mir als weltweite medizinische Innovation gepriesene Maßnahme war auf das reduziert, was sie wirklich war: die längst überfällige Lösung eines relativ kleinen Problems, das bislang an Egoismen und am Geld gescheitert war.

 

So habe ich damals schmerzhaft, in der Folgezeit häufiger auch positiv, vieles von Dr. Hauptmann gelernt, was weit über den fachlichen Bereich hinaus geht. Es lohnt sich, mit Dr. Hauptmann zu sprechen. Es lohnt sich, Herrn Dr. Hauptmann zuzuhören, denn das, was er sagt, hat immer Substanz.

 

Deshalb gratuliere ich als erstes der LPK zur Auswahl des diesjährigen Preisträgers, denn es ist eine große Ehre und öffentliche Anerkennung, wenn jemand von der Landespressekonferenz mit der Goldenen Ente geehrt wird. Ich gratuliere auch und selbstverständlich an zweiter aber prominentester Stelle Herrn Dr. Hauptmann, dass er diese Auszeichnung bekommt. Ich glaube, er wird den hohen Anforderungen, die an die Preisträger gestellt werden, in jeder Hinsicht gerecht. Er wird auch, nachdem er die Goldene Ente hat, sein Kommunikationsverhalten nicht verändern, sondern vielleicht noch ein Spürchen furztrockener werden. Das kann ja auch helfen, weil dann die Fakten ganz präzise auf den Tisch kommen.

 

Deshalb herzlichen Glückwunsch Ihnen, lieber Herr Dr. Hauptmann, und danke für alles, was Sie nicht nur für die Ärzteschaft, nicht nur für die medizinische Versorgung, nicht nur für die Menschen getan haben, sondern auch für die Öffentlichkeitsarbeits-Arbeitskultur in diesem Lande. Die lebt davon, dass es Menschen wie Sie gibt , die eben die Dinge nicht schön reden, sondern Probleme benennen und offen mit Medien kommunizieren. Sie sind ein würdiger Preisträger und Sie haben damit etwas, was ich leidvoll vermisse. „Unseren täglichen Hecken gib uns heute“, neun Jahre immer die Wahrheit gesagt - und wo ende ich: Als Laudator, aber niemals als Preisträger. In diesem Sinne: Ich gönn's Ihnen von Herzen.