Goldene Ente 2007

Jean-Marc Ayrault, Bürgermeister von Nantes

Rede zur Verleihung der Goldenen Ente 2007 der Landespressekonferenz Saar

Sehr geehrte Charlotte Britz, sehr geehrte ehemalige Oberbürgermeister von Saarbrücken, verehrte Damen und Herren Preisträger der Goldenen Ente, liebe Kollegen,
meine Damen und Herren, liebe Freunde,
es ist mir eine große Ehre und Freude, heute an der Verleihung des Preises der Goldenen Ente an die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz teilnehmen zu können.

Als ich dazu eingeladen wurde, habe ich spontan zugesagt, aus Freundschaft zu Charlotte Britz und in Treue zum Bund, der Nantes und Saarbrücken verbindet und für den ich wie sie ein aktiver Träger bin.

Der persönliche Lebenslauf von Charlotte Britz war stets auf den Dienst am Mitbürger ausgerichtet, insbesondere im sozialen Bereich, was sie ganz natürlich dazu geführt hat, politische Verantwortung zu übernehmen.

Genau dieses Engagement hat es ihr ermöglicht, in der Direktwahl von den Saarbrücker Bürgern und Bürgerinnen zur Oberbürgermeisterin von Saarbrücken gewählt zu werden.

Wir haben oft Gelegenheit gehabt, uns sowohl in Saarbrücken als auch in Nantes zu sehen.

Diese Besuche haben nicht nur protokollarischen Charakter, sie sind auch immer gesellig und herzlich, da es sich um freundschaftliche Beziehungen handelt, aber sie sind auch für uns Gelegenheiten, Projekte zu beschreiben, die wir jeder in seiner Stadt durchführen.
Die Städte sind die Motoren der Entwicklung der Region; dies gilt für Saarbrücken wie für Nantes. Im Lauf der Jahre habe ich die Verwandlung Saarbrückens beobachten können, sein wirtschaftliches Wiedererstarken aber auch seine städtebauliche Entwicklung, neue Stadtviertel und insbesondere das Zentrum mit der Straßenbahn und dem Nahverkehrsnetz; ein gemeinsamer Aspekt unserer beiden Städte.

Zwischen den Stadträten der beiden Städte finden regelmäßige Begegnungen statt, sowohl in Nantes als auch in Saarbrücken, was unserer Partnerschaft besonders über die Beziehungen zwischen Sport- und Kulturvereinen hinaus neue Perspektiven verleiht.

Ich vergesse auch nicht unseren gemeinsamen Kampf für Europa und den Frieden. Es ist kein Zufall, wenn Oberbürgermeisterin Charlotte Britz anlässlich unserer Einweihung des Denkmals von Aristide Briand unser Ehrengast war.

Wir beide haben diesen großen Kämpfer für den Frieden geehrt und gleichzeitig an den Friedens-Nobel-Preisträger Gustav Stresemann erinnert.

Nicht ohne Emotionen denke ich heute an diese Zeremonie zurück, und jedes Mal wenn ich auf diesem Platz die Statue von Aristide Briand sehe, denke ich an diese Begegnung; ich denke dann an Nantes und Saarbrücken und ich denke an das, was uns lange getrennt hat aber was heute, dank der deutsch-französischen Freundschaft, der Sockel der Konstruktion Europas ist.

Mit immer großem Vergnügen, liebe Charlotte Britz, befinde ich mich im Saarland und besonders in Saarbrücken. Es hat einen ganz persönlichen Grund, denn hier liegt die Partnerstadt von Nantes, zu der ich immer ein inniges Verhältnis gepflegt habe. Aus meiner Sicht ist nämlich die deutsch-französische Beziehung nicht nur Sache von Staats- und Regierungschefs, die regelmäßig bei Gipfeltreffen zusammenkommen und sich auf dieser Ebene austauschen, sondern auch Sache der einzelnen Bürger. Ohne diesen Austausch „an der Basis" ist eine intensive, tiefgehende Beziehung kaum denkbar. Diese Kenntnis des Anderen aus der Nähe ist das beste Mittel, um ihn richtig zu verstehen, seine Erlebnisse und seine Vorstellungen wahrzunehmen und auch Vorurteile abzubauen. Sogar de Gaulle, der großartige Staatschef und Förderer der Versöhnungspolitik der Nachkriegszeit und - wie man weiß - Mitbegründer und Unterzeichner, zusammen mit Adenauer, des Elyseevertrages von 1963 - hat sich immer ( so sein Biograph und ehemaliger außenpolitischer Berater Pierre Maillard, ein Germanist übrigens !, in seinem Buch „ De Gaulle et l'Allemagne" ) nicht nur darum bemüht, seine Reden auf deutsch zu halten, weil damit ein direkter Draht zur Bevölkerung hergestellt wurde, sondern auch sich immer danach erkundigt, wie sich die Städtepartnerschaften entwickelten.

Der zweite Grund, warum ich so gerne im Saarland bin, hat etwas mit der Geschichte zu tun. Als überzeugter Kenner und Förderer der deutsch-französischen Beziehungen weiß ich, wie sehr die Geschichte des Saarlandes die Entwicklung des Verhältnisses zwischen unseren beiden Ländern widerspiegelt. Oft genug ist das Saarland ein Zankapfel zwischen den zwei Ländern gewesen - man denke an die sogenannte von Frankreich betriebene „Sicherheitspolitik" gegenüber Deutschland sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Weltkrieg, die entweder eine Annektierung durch Frankreich oder die Herstellung eines wirtschaftlichen Anschlusses einschloss. Aber häufiger - und dieses gilt es hoch einzuschätzen und zu loben - ist das Saarland der Ort des deutsch-französischen kulturellen und wirtschaftlichen Austausches - ich denke zum Beispiel an die Bedeutung der Universität des Saarlandes für den geistigen Austausch zwischen beiden Ländern oder an die deutsch-französische Hochschule, die ihren Sitz in Saarbrücken hat. Heute wird die hier praktizierte grenzübergreifende Zusammenarbeit als Modell für ganz Europa betrachtet. Wenn man von Euroregionen spricht, sollte man nach Saarland blicken.

Diese Art der Zusammenarbeit ist auch ein guter Weg, um die Entwicklungen und Änderungen mitzuerleben, die das Nachbarland durchgemacht hat. Deutschland hat seit dem Mauerfall und der Einigung viele Umbrüche erlebt - wirtschaftlicher, sozialer, politischer, diplomatischer und kultureller Natur -, die ich umfassend beobachtet habe, weil eine solche Untersuchungsarbeit zu einem besseren beiderseitigen Verständnis beiträgt.

Dabei ist mir zum Beispiel der Blick des Historikers Heinrich August Winkler besonders aufgefallen, wenn er in seinem Buch „Der lange Weg nach Westen" behauptet - ich darf an dieser Stelle zitieren - : „ Das wiedervereinigte Deutschland ist keine postnationale Demokratie unter Nationalstaaten, sondern ein demokratischer, postklassischer Nationalstaat unter anderen, der nicht weniger souverän ist als die anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union". Diesen neuen Tatbestand gilt es auch in Frankreich zu berücksichtigen, wenn über eine Wiederbelebung der deutsch-französischen Beziehungen nachgedacht wird.

Die Voraussetzung eines effektiven Zusammenwirkens ist ein besseres Kennenlernen. Alle großen Europäer haben an die spezifische Eigenschaft der deutsch-französischen Beziehungen geglaubt. Ohne seine Kenntnisse über Deutschland, mit denen er als Lothringer aufwuchs, hätte bestimmt Robert Schumann den Entwurf der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl politisch nicht getragen und damit die Grundlage für ein geeinigtes Europa nicht gelegt. Adenauer fühlte sich als Rheinländer Frankreich verbunden. Mitterrand und Kohl sind über die Geschichte einander nähergekommen und hatten daher einen Sinn für gemeinsame Symbole, als sie sich zum Beispiel vor den Soldatengräbern in Verdun Hand in Hand verneigten.

Ü ber die Symbole hinaus ist die deutsch-­französische Freundschaft eine politische Kraft, die das Weiterkommen Europas ermöglicht. In dem nun erweiterten Europa ist die Aufgabe viel schwieriger. Aber man muss sich nach wie vor aktuell dieser Herausforderung stellen, zumal umfangreiche Aufgaben auf uns Europäer zukommen: ich denke zum Beispiel an eine gemeinsame Energie- und Umweltpolitik, an eine Konsolidierung unserer Forschungspolitik, an die Neuverhandlungen über den EU-Haushalt zugunsten der Zukunftsausgaben oder an die Beziehungen zu den Balkanstaaten. Deutschland und Frankreich können und müssen einen gemeinsamen Beitrag dazu leisten.

Wie Sie wissen bin ich zwar Oberbürgermeister von Nantes, übrigens der Stadt eines großen Pazifisten und Mittlers zwischen unseren beiden Ländern und Kulturen, Aristide Briand, aber auch Fraktionsvorsitzender der Sozialistischen Partei. In dieser doppelten Eigenschaft möchte ich selbst daran mitwirken. Jedes Treffen mit Charlotte Britz, ihrer Stadt, ihrem Land und selbstverständlich ihren Freunden, die heute hier zu ihrer Ehre versammelt sind, ist dabei eine ständige Anregung, wofür ich mich ganz herzlich bedanken möchte.