Laudatio

 

von Professor Klaus Töpfer, Bundesminister a.D.

 

 

[Dieser Text beruht auf einem Mitschnitt der frei gehaltenen Rede Er wurde zur besseren Lesbarkeit von der LPK gekürzt und behutsam redigiert] 

 

 

Einen schönen guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Vorsitzender,

 

 

 

ich frage Sie zunächst einmal: wer von Ihnen kennt denn Gustl Neiß? Der einzige, der ihn hier kennt, ist Herr Plaetrich. Denn im Internet steht, dass der erste Vorsitzende von Hellas 05 Bildstock den 24 Jahre lang als Platzwart hochgeschätzten Gustl Neiß in den Ruhestand geschickt hat. Und da habe ich zum ersten Mal in dem beigefügten Bild gesehen: Plaetrich sieht auch noch mit einem Sportanzug hinreichend locker aus. Das ist schon einmal etwas, was ich damals, vor vielen, vielen Jahren, als ich in Mainz Minister wurde, für völlig undenkbar gehalten hätte. Empfohlen wurde mir Herr Plaetrich, den ich natürlich persönlich nicht kannte, von dem damaligen Justizminister von Rheinland-Pfalz, der aus Mayen kam. Er hat mir gesagt, da gibt es einen, der ist ein exzellenter Jurist und der kann das auch noch umsetzen; den müssen wir ranholen. Und das hab ich dann gemacht.

 

 

 

So hat die Zusammenarbeit mit Herrn Plaetrich begonnen, und das war wirklich etwas, was über den Tag hinaus reichte. Ich bin damals sehr schnell nach Bonn gekommen. Da habe ich gedacht, du musst einige mitnehmen, die man dort braucht, und das war natürlich mit an erster Stelle Herr Plaetrich. Da gab es aber auch jemand, der jetzt im Saarland hinreichend bekannt ist, nämlich Marlene Mühe [später stellvertretende Regierungssprecherin in Saarbrücken]. Für mich galt nach einem Jahr die schöne Überschrift in der Zeitung: „Töpfer kommt mit Mühe über die Runden“ – womit wieder einmal belegt wird, dass man mit Journalisten viel Ärger haben kann. Aber die Altersweisheit sagt einem am Ende: Der Ärger war ja immer produktiv.

 

 

 

In der Tat bin ich nicht nur Umweltminister gewesen, ich wurde Bauminister und meine Nachfolgerin war Angela Merkel – da war noch alles in Ordnung. Dann kam Jürgen Trittin. In der Zwischenzeit war der junge Mann, der hier vor uns steht, nicht nur verheiratet, sondern auch Ministerialdirektor. Ein Ministerialdirektor hat die feine Qualität, dass er ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand geschickt werden kann. Das macht man meistens aus politischen Gründen, weil man glaubt, es gäbe Abhängigkeiten. Ich habe ja eine ganze Reihe von Abteilungsleitern kennengelernt. Wenn Sie mich gefragt hätten, wer aus diesen Gründen entlassen wird - zu aller Letzt wäre ich auf Manfred Plaetrich gekommen. Der war so etwas von unabhängig, dass man sich fragen konnte, wer kann denn so eine Idee nur haben. Die Entlassung hat ihn auch getroffen. Deswegen muss man auch ansprechen, dass manche Politiker auch mal eine falsche Entscheidung treffen. Wir sprechen ja viel davon, dass wir so etwas wie eine Politisierung der Bürokratie und eine Bürokratisierung der Politik haben. Herr Plaetrich ist ein Beleg dafür, dass das in der Bürokratie nicht sein muss - ganz im Gegenteil, dass diese Unabhängigkeit dazu beiträgt, dass eine politische Zielsetzung besser erfüllt werden kann. Herr Plaetrich war für mich immer eine Persönlichkeit, die belegt hat, man kann und man muss – auch im alten Sinne des Wortes – ein Beamter sein, der in der Unabhängigkeit des Vollzugs seiner Tätigkeit belegt, dass die Sache und nicht die politische Wertung am Anfang stehe.

 

 

 

Das gilt auch für ihre Tätigkeit beim Rechnungshof. Ich habe mir ihre Rede zur Verabschiedung noch einmal angesehen. Sie haben gesagt, Rechnungshöfe bräuchten eigentlich auch mehr Zuständigkeiten für die Kommunen und für die Banken. Ich bin aber etwas besorgt, wenn jemand, wenn er geht, sagt, wir hätten mehr Zuständigkeiten haben müssen. Ich bin jetzt im wissenschaftlichen Bereich tätig und ich habe noch nicht ein einziges Mal eine Situation erlebt, wo ein Wissenschaftler etwas vorgelegt hat und am Ende nicht drinsteht, jetzt bräuchten sie mehr Geld, damit sie es endlich erforschen könnten.

 

 

 

Was mich jedoch sehr viel mehr interessiert in dieser Frage, und darüber sollten wir in unserer Gesellschaft diskutieren, lässt mich erinnern an eine Begebenheit auf dem Flugplatz von Ruanda, dem Partnerland von Rheinland-Pfalz. Dort stand ein Riesenschild mit nur einem Satz darauf: „Be proud, to be a tax-payer.“  Sie können sich vorstellen, dass ich das nicht zum ersten Mal zitiere und ich habe dabei überall Schmunzeln, aber auch Gelächter geerntet. Ich frage mich: Ist das eigentlich gut, dass wir in einer Demokratie leben, in der man nicht mehr stolz darauf ist, Steuern zu zahlen? Was müssen wir tun, dass sich das ein Stück ändert? Das hat etwas zu tun mit unserem Gefühl für diesen Staat, für diese Demokratie.

 

 

 

Also: wenn ich einen Wunsch hätte an Rechnungshöfe, dann hätte ich den Wunsch, dass sie bei jedem ihrer Berichte auch drei, vier Beispiele bringen, wo Steuergelder exzellent verausgabt worden sind.  Dass irgendjemand einmal sagt, das sind nicht nur Narren, die da Geld rausschmeißen. Das kommt zwar immer vor, es muss auch aufgedeckt und verfolgt werden - ich will das in keiner Weise in Frage stellen. Ich habe vor nicht langer Zeit in Leipzig einen neuen Sonderforschungsbereich der DFG mit eröffnet. Die jungen Menschen und die Professoren waren mit einer Begeisterung und Sachkenntnis bei der Sache, dass ich meine Rede damit begonnen habe: wenn ich das sehe, bin ich wirklich stolz darauf, dass ich Steuern zahle. Wir brauchen auch die positiven Belege dafür, dass Steuergelder sinnvoll ausgegeben werden. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir das auch weiterführen können und dass wir die Probleme nicht dadurch lösen, dass wir uns mehr mit der Gegenwart als mit der Zukunft beschäftigen.

 

 

 

Als Willy Brandt Kanzler wurde, da hat ein Satz bis zum heutigen Tag die Menschen wirklich erreicht, nämlich: „Mehr Demokratie wagen“. Wenn ich mir das, was wir jetzt als Koalitionsvereinbarung vorgelegt bekommen haben, durchsehe, komme ich nicht auf die Idee, darüber zu schreiben: „Mehr Zukunft wagen“. Wie kriegen wir es hin, nicht nur die Bewältigung der Aktualität zu finanzieren, sondern die Zukunft zu ermöglichen? Wie kriegen wir so eine Überschrift zustande: „Mehr Zukunft wagen“?

 

 

 

Ich bin unruhig darüber, was im Koalitionsvertrag etwa über die Energiewende steht. Hier im Saarland ist eine vorausblickende Politik dadurch gemacht worden, dass man trotz all den Schwierigkeiten und all den Sorgen dazu beitragen hat, dass der Kohlebergbau zu einem Ende gekommen ist. Das ist ja nicht kampflos gewesen. Die Folgewirkungen sind noch erheblich. Aber warum können wir nicht auf die Idee kommen, und sagen, die Energiewende geht weit über Deutschland hinaus?

 

 

 

Armut ist zuallererst immer Energiearmut. Welche Lösungen bieten wir denn anderen an, dass sie Energie haben, um sich aus der Armut heraus zu entwickeln?  Bisher sagen wir immer nur, welche Energie sie nicht nutzen sollten.  Es ist eine der verdammten Pflichten und Schuldigkeiten eines technologisch führenden Landes wie der Bundesrepublik Deutschland hinzugehen und zu sagen, wir entwickeln auch solche Techniken, selbst wenn nicht wir sie bräuchten - was nicht der Fall ist -, sondern andere. Im Jahre 2050 wird der Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung noch  fünf Prozent betragen. Wollen wir da nur die Technologien entwickeln, die uns nutzen, oder müssen wir nicht solche entwickeln, die andere dringlich brauchen? Wir haben 900 Sonnenstunden in Deutschland, in Afrika haben sie 3.500.  Entsprechende Technologien zu entwickeln, ist unsere Verpflichtung. Dann wäre ich wieder „proud, to be a tax-payer“. Im Koalitionsvertrag fehlt mir ein Hinweis darauf.

 

 

 

Nun haben wir die Große Koalition und jetzt sollten wir die großen Herausforderungen angehen. Eine große Herausforderung ist zu zeigen: In dieser Welt ist ein wirtschaftlich stabiles, exportorientiertes  mit einer geschlossenen Produktionskette ausgestattetes Land wie die Bundesrepublik Deutschland in der Lage, ohne Kernenergie in der Zukunft auszukommen und klimapolitisch glaubwürdig zu bleiben. Das ist unsere Belegnotwendigkeit. Das muss ein Exportartikel werden.

 

 

 

Herr Plaetrich, ich finde es wirklich bemerkenswert, dass ich im Internet Gustl Neiß wiederfinde neben dem europäischen Präsidenten der Rechnungshof-Chefs - und Sie dabei. Dass ich sehe, dass Sie über dieses Land hinausgeblickt haben. Dass wir dazu kommen können, dies zu verbinden mit der Verpflichtung eines Staatsbürgers in seiner Stadt, in der er wohnt – und nicht einfach wegzusehen, in einer Zeit, in der Vereine immer größere Schwierigkeiten haben. Bei dem Gegensatz zu dem, was uns weltweit ins Haus steht, wenn in Deutschland die Bevölkerung deutlich abnimmt - mit all den damit verbundenen Problemen, denen die Politik gegenwärtig wirklich noch nicht die Aufmerksamkeit widmet, die dringlich notwendig wäre. Und dass dann einer, den ich kennengelernt habe als einen der Untadeligen, der durch nichts zu Beeinflussenden, der Unabhängigen im besten Sinne des Wortes, dass eine bürokratisch leitende Persönlichkeit sich ganz selbstverständlich auch wiederfindet in Bildstock bei Hellas 05. Man sollte manchen wirklich den dringenden Rat geben, diese Dinge miteinander zu verbinden. Das ist die Realität unserer Gesellschaft, die sich nicht mehr in einzelnen Ständen und in einzelnen Gruppen zusammenfassen lässt, sondern die die Breite der Menschen zu erreichen und ihnen etwas mitzugeben hat. Dazu ist es gut, dass man unerschrocken ist, und es ist gut, dass man dafür eine Goldene Ente bekommt. Herzliche Gratulation, auf Ihr Wohl und das Wohl Ihrer Frau - und bleiben Sie weiterhin ein guter Vorsitzender von Hellas 05 in Bildstock!