Goldene Ente 2015

 

Begrüßung und Würdigung

 

durch den LPK-Vorsitzenden Michael Kuderna



Liebe Frau Peter, liebe Margit Conrad, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,


zum ersten Mal seit Jahren treffen wir uns mal nicht kurz vor Weihnachten, sondern schon fast einen Monat früher. Leider ist der Plan, damit eine ruhigere Zeit für die Entenfeier zu finden, nicht ganz aufgegangen. Die letzten zwei Tage haben zudem die Krankmeldungen zugenommen. Ein LPK-Mitglied berichtete gerade noch per Mail, die ganze Familie liege inzwischen flach, nur der Hund halte sich noch auf den Beinen. So ist der Kreis ein wenig kleiner als sonst, aber entscheidend ist bekanntlich die Qualität.


So freuen wir uns, dass sich von den früheren Preisträgern Asgar Abbaszadeh, Hajo Hoffmann, Dr. Burkhardt Jellonek, Olivier Kirsch und Otto Werner Schade für die Feier Zeit genommen haben. Man soll ja aus so einem Kreis niemand besonders herausheben, aber bei zwei Enteninhabern darf ich heute eine Ausnahme machen. Zum einen bei Friedel Läpple: Die Vergabe an Dich, lieber Friedel, ist 34 Jahre her, übrigens kurz bevor ich ins gelobte Saarland zog, und ich kann mich nicht erinnern, dass Du seitdem nochmal gekommen wärst; umso schöner, dass Du nun wieder unter uns bist und dies hoffentlich auch ein Startschuss für die nächsten Jahre ist. Zum anderen freut es mich sehr, dass wir nach einer Zwangs-Pause wieder mit Clemens Lindemann feiern können. Lieber Clemens, auch wenn Du nun nicht mehr den Job als Landrat machst, der Dir wie auf den Leib geschnitten war, so bleibt Dein Rat und, das sage ich persönlich, Deine Freundschaft wichtig.


Mehrere Enteninhaber haben ausdrücklich gebeten, sie bei Ihnen, Frau Peter, zu entschuldigen und Ihnen in ihrem Namen zu gratulieren. Ich beschränke mich dabei auf zwei der letzten Jahre, nämlich Jean Asselborn und Peter Altmaier – ich denke, jeder hat Verständnis, dass sie heute wirklich nicht kommen konnten – obwohl die Omnipräsenz des Kanzleramtsministers ja noch nicht bis zur Deutschen Post durchgedrungen ist, wie der Rücklauf unserer Einladung, adressiert an Minister Altmaier, Bundeskanzleramt, beweist. Da lasen wir nämlich voll Erstaunen den Vermerk „Empfänger nicht zu ermitteln“.


Aus den Reihen der LPK-Mitglieder darf ich diejenigen ausdrücklich willkommen heißen, die neu zu uns gestoßen und deshalb zum ersten Mal dabei sind. Wenn ich es richtig durchblicke, sind dies Janek Böffel, Nora Ernst und Ute Klockner. In der Mitgliedschaft gab es in diesem Jahr viel Bewegung, einige schieden aus, neue kamen hinzu und einer wechselte vom aktiven Berufsleben in einen ruhigeren Modus.


Begrüßen möchte ich auch Herrn Bernd Reis von der Handwerkskammer, die dankenswerterweise weiter die goldenen Enten in der Lehrwerkstatt anfertigt, zum Glück trotz Schuldenbremsen weiterhin in massivem Messing. Unser Dank gilt dem Restaurantteam um Gertrud Thiel, unserem Hoffotografen Pasquale d’Angiollilo sowie Christoph Klein, Marius Kliche, Jan Oestreich und Billy Trebing von Jazzattakk. 


Ja, und da ist dann natürlich noch die Hauptperson dieses Abends. Liebe Frau Peter, schön, dass Sie nicht, wie angeblich in ihren jungen wilden Zeiten geschehen, mit dem Motorrad auf dem Soziussitz von Hubert Ulrich gekommen sind, sondern im Auto und so Ihren Mann, Ihren Vater, ihren Bruder und dessen Partnerin mitbringen konnten – seien Sie uns alle herzlich willkommen, wie auch Ihr Berliner Mitarbeiter Jens Kendzia.


Übrigens haben wir noch nie auf eine Entenvergabe solch lustige Reaktionen im Netz erlebt, auch nicht, dass sich Steffen Niggemeier in der FAZ mit der Wahl befasst und ebenfalls nicht, dass eine Preisträgerin in der Zeitung „Die Welt“ der Hauptstadtpresse empfiehlt, nach zu ziehen. Das kommt schon fast an die wahre Begebenheit heran, als Olivier Kirsch in den USA unter anderem als Preisträger des „Golden Duck Award“ vorgestellt wurde.  


Offenbar haben wir, sonst wäre das Aufsehen nicht zu erklären, bei unserer Preisvergabe ins Schwarze oder Grüne getroffen. Wir haben ja nicht Ihre politischen Positionen ausgezeichnet, das ist nicht Sinn und Zweck der Goldenen Ente. Zudem hat sich – so weit ich weiß – heute Abend noch ein weiterer Parteivorsitzender in unseren Kreis eingeschlichen, der neue Anhänger für sich rekrutieren will [Anspielung auf späteren Comedy-Auftritt von Joachim Weyand als Scherer, Erwin – Vorsitzender der SchEP (Scherer-Erwin-Partei)].


Wir ehren Sie, Frau Peter, als eine authentische Politikerin, die engagiert für ihre Überzeugungen eintritt. Je nach Standpunkt kann man ihre Auffassungen für goldrichtig halten oder mit ihnen hadern – nur eins kann man Ihnen wirklich nicht vorwerfen, nämlich aalglatt, profillos, oder angepasst zu sein, was aber selbstverständlich die Bereitschaft zu Kompromissen nicht ausschließt. Und uns gefällt noch ein zweites: Sie streiten für ihre Überzeugungen mit offenem Visier, mit großem Einsatz, sie kneifen nicht, sondern sie stehen der Presse immer, wenn es geht, zur Verfügung. Und zwar nicht nur den so genannten Leitmedien, sondern auch kleineren und vor allem ungebrochen den Medien in ihrer saarländischen Heimat.


Das Bespielen verschiedener politischer Bühnen kennt Ihre Laudatorin nur zu gut. Wir freuen uns und danken Margit Conrad, dass Sie die Würdigung heute Abend übernommen hat. Margit Conrad hat Erfahrung auf allen Ebenen, im Bund unter anderem als Abgeordnete, weiter gleich in zwei Länderparlamenten, nämlich kurz im saarländischen und später im rheinland-pfälzischen Landtag, aber auch auf kommunaler Ebene als Saarbrücker Bürgermeisterin, und schließlich wie Frau Peter in der Exekutive als Umweltministerin, wenn auch in Mainz. Ich bin gespannt, was der einen an der anderen Ex-Kollegin so alles auffällt.


Doch bevor wir dazu kommen, kann ich unmöglich wortlos über die großen politischen Themen hinweggehen, die uns dieses für Journalisten so unendlich dichte Jahr in Atem gehalten haben. Aus Zeitgründen sei an einige nur wenigstens erinnert: Fürs Saarland haben wir zwar immer noch keine Einigung beim Finanzausgleich, aber die eigenen Sparpotentiale werden dank des Junkernheinrich-Gutachtens endlich ohne Tabus diskutiert. Wir bekommen ein neues Landesmediengesetz – schneller als manche dachten. Der Germanwings-Absturz war Anlass für lebhafte berufsethische Debatten – schade nur, dass es dazu einer solchen Katastrophe bedurfte. Das Internet beeinflusst immer stärker unsere Arbeit. Es bietet neue Möglichkeiten als Quelle und für die Recherche, es hat aber auch schon ein Stück seines Zaubers verloren, wenn es als Ersatz für den mittelalterlichen Pranger, für Hetze aller Art oder einfach als reflektionslose Pöbelmaschine missbraucht wird. Gleichzeitig werden manche Internet-Anbieter gegenüber unserer Profession immer übergriffiger, geben vor, künstlich von Maschinen erzeugte Texte seien Journalismus.


Im Frühjahr folgte eine Eilmeldung der anderen. Erinnern Sie sich, um was es da ging? Richtig, um Griechenland, und angeblich um die Zukunft Europas. Dann immer noch die Ukraine und schließlich das Mega-Thema Flüchtlinge einschließlich einer kaum für möglich gehaltenen Explosion ehrenamtlichen Engagements, nun aber selbst wiederum getoppt vom islamistischen Terror. Der monumentalen Dimension der beiden letzten Themen können wir uns alle nicht entziehen, sowohl die Flüchtlingsbewegungen als auch der Terror stellen in unserem Denken, in unseren Empfindungen und auch in unserer Arbeit viel in Frage. Viele hier wissen um meine persönliche Betroffenheit in diesen Fragen sowohl aus familiären Gründen als auch von meinem wissenschaftlichen Hintergrund her. Manche wissen auch, dass ich schon länger an politischen Reaktionen, dem Fehlen konsistenter Konzepte und leider auch der teilweisen Oberflächlichkeit der Kontrollinstanz Journalismus leide. Aber keine Angst, ich werde diese Begrüßungsrede nicht für einen Vortrag oder einen journalistischen Essay missbrauchen. Aber eines nehme ich mir dann doch heraus, nämlich eine Reihe von kritischen Fragen zu stellen. Damit kein Zweifel besteht: sie richten sich nicht an braune Dumpfbacken, die sind für mich nicht diskursfähig, die Fragen richten sich an Politiker und uns Medienschaffende, die wir sicher beide an uns den Anspruch stellen, nicht hirnlose Parolen nachzuschwätzen, wohl aber Probleme offen zu durchdenken. Also los:


 - Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien – wie oft werden wir noch Zeugen direkter oder indirekter westlicher Interventionen ohne politisches Langzeitkonzept für den „day after“?


- der Bundeswehreinsatz in Syrien und die Debatte über eine Ausweitung am Boden: wie erklärt man im Ernstfall den Eltern getöteter Soldaten, warum diese buchstäblich ihren Kopf hinhalten mussten, während zehn- wenn nicht hunderttausende junger Männer aus Syrien gefahrlos in Deutschland zusehen müssen oder dürfen?


 - oder wird künftig alles mit unser „besonderen Verantwortung“ erklärt? Nur, worin liegt die eigentlich begründet, worin besteht sie genau?


- kann der Fetisch der territorialen Einheit auch bei real nicht existierenden Nationalstaaten zum Tabu erklärt werden – zumal wenn doch angeblich die willkürlichen kolonialen Grenzziehungen mitschuld an den Verhältnissen sein sollen, und obwohl man doch selbst vor wenigen Jahrzehnten das Blutvergießen auf dem Balkan durch Teilungen und Neuordnungen gestoppt hat?


 - wie will man denn Flüchtlinge zum an sich vernünftigen Bleiben in ihrer Region bewegen, wenn die UNO Jahr für Jahr aufs Neue vergeblich um finanzielle Hilfe für die Unterkünfte und Camps betteln muss, um dort auch nur annähernd ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen?


 - eine Frage zur ethischen Dimension der Selektion von Flüchtlingen bei uns: Hat der arbeitslose Kosovo-Albaner nicht die gleiche Chance auf ein besseres Leben verdient wie der syrische Bürgerkriegsflüchtling in der Türkei? Andererseits: machen wir wirklich alles für eine frühe Integration, um die Entstehung gettoartiger Vorstädte ohne Perspektive für die Jugendlichen wie in Frankreich oder Belgien zu verhindern?


- und weiter: was würde es bedeuten, wenn wir gerade nur die Vorboten größerer Völkerwanderungen erleben? Was bedeutet das für die Zukunft von Nationalstaaten, für die Verteilung von Wohlstand und sozialer Wohlfahrt?


- abseits der Flüchtlingsdebatte eine Frage an diejenigen, die ihr politisches Handeln im Mittleren Osten mit dem Eintreten für Demokratie legitimieren: wie können wir ruhig schlafen, wenn wir frauenfeindlichen und den Menschenrechten spotteten Unterdrückerstaaten wie Saudi-Arabien auch noch Waffen liefern? Mit welchem energiepolitischen Konzept kann Deutschland die Kluft zwischen Ethik und nationalen Interessen überbrücken? Und was bedeutet es, wenn wir die Türkei hoffieren müssen, während dort offenbar immer noch Tankwagen voll Blut-Öl des IS ihren Weg zu skrupellosen Abnehmern finden?


- angesichts des islamistischen Terrors und der Antworten darauf: sind westliche Bomben per se gut und russische schlecht? Und russische Opfer weniger wert als westeuropäische? Wie ernsthaft ist der Kampf bisher geführt worden, wenn trotz Aufklärungsflugzeugen die IS ungestört und mit Ansage die wunderbare Tempelanlage im Weltkulturerbe Palmyra in die Luft jagen konnte? Andererseits: was heißt es, einem selbst ernannten Staat den Krieg zu erklären und damit den verblendeten Dschihadisten eine bessere Legitimationsbasis zu verschaffen?


 - aber auch der Islam muss sich Fragen stellen: hat er wirklich gar nichts mit all dem zu tun? Muss nicht auch in den Moscheen, theologischen Zentren und vor allem unter Intellektuellen offener und intensiver um eine Historisierung des Korans und um die Deutungshoheit gerungen werden?


Ich hätte noch viele weitere Fragen, hin und wieder sogar eine Antwort, aber das würde diesen Rahmen sprengen. Einen Punkt möchte ich aber noch streifen, der eine Brücke zu urgrünem Engagement schlägt. Wer glaubt, die Konflikte im Mittleren Osten hätten außer der bekannten Wasserprobleme mit Ökologie nichts zu tun, irrt. Möglicherweise sehen wir hier als eine Komponente auch schon Auswirkungen des Klimawandels. In den letzten Jahren vor Ausbruch des syrischen Kriegs häuften sich Missernten aufgrund von Trockenheit. Das führte zu einer nicht unerheblichen Landflucht mit all den sozialen Folgen in wachsenden Vorstätten.


Solche Zusammenhänge sollte man nicht vergessen - gerade in diesen Tagen, wo in Paris neben die Trauer die Diskussion über Zukunftsfragen der Menschheit tritt. Insofern hat es schon eine innere Logik, dass wir heute eine ausgewiesene Ökologin mit klarem Wertebezug ehren, und dass die Laudatio von einer ebenfalls ausgewiesenen Umweltpolitikerin gehalten wird, die zudem als gelernte Ärztin etwas von der Verabreichung der richtigen Dosis versteht. Liebe Margit Conrad, wir freuen uns auf Ihre Rede.