Goldene Ente 2002

Begrüßung durch Michael Kuderna

Liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor 25 Jahren besuchte ich in München eine Ausstellung über eine Zeitschrift. Heute amüsieren uns die spöttischen Artikel und Karikaturen, damals, als sie erschienen, brachten sie die Autoren immer wieder in heftigen Konflikt mit dem Obrigkeitsstaat. Es handelt sich um den „Simplicissimus". Zu seinem Emblem wurde ein rote, zähnefletschende Bulldogge mit abgerissener Kette, ein typisches Exemplar von Kampfhund, der sich allerdings 1914 freiwillig in einen patriotischen Zwinger begab. Ich möchte Ihnen zwei Strophen aus einem Couplet von Bruno Paul vorlesen, das im Jahr 1900 unter dem Titel erschien:

„Die Thronstütze

Immer nur so durchjeschloffen,
Nischt jelernt und viel jesoffen,
Roch ich sehr nach Biere.
Endlich bin ich durchjeschwommen,
bin im Staatsdienst anjekommen
Mit ’ner sauren Niere,
Hoppla, tralala!
Mit ’ner sauren Niere.
...
Scharf nach unten, mild nach oben,
Öffentlich den Herrgott loben,
Heimlich ist man kalte.
Bald ’nen Tritt, un bald ’den Orden,
Mancher ist schon so jeworden
Oberstaatsanwalte,
Hopsasa, tralala!
Oberstaatsanwalte."

Wer glaubt, es gäbe in der Geschichte keinen Fortschritt, müsste sich eigentlich jetzt eines Besseren belehren lassen. Er muss sich nur den Oberstaatsanwalt ansehen, der heute unser Ehrengast ist: Herzlich willkommen, lieber Herr Weyand.

Begrüßen darf ich auch drei weitere Gäste aus dem Bereich der Justiz, Frau Richterin Dr. Cornelia Klahm, die stellvertretende Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, Birgit Sieren-Kretzer und ihren Mann, Herrn Dr. Martin Kretzer.

Wir freuen uns sehr, dass sich einige unserer früheren Preisträger und Geehrten Zeit für die heutige Feier genommen haben. Unter uns sind – ich gehe alphabetisch vor – Asgar Abadszadeh vom Verein Ramesch, Burkhard Jellonek, Helmut Macher, Udo Recktenwald und Professor Heinrich Schüssler. Mehrere Enten-Besitzer haben ihr terminlich oder gesundheitlich erzwungenes Fernbleiben ausdrücklich bedauert. Ein großes Dankeschön gilt unseren Musikern, dem Peter-Kleiß-Trio. Außerdem bedanke ich mich bei meinen Vorstandskollegen und bei Astrid Ege für die Mithilfe bei der Vorbereitung dieses Abends.

Am Schluss des Jahres sei ein kurzer Rückblick auf die Schwerpunkte der LPK-Arbeit erlaubt. Ich möchte Ihre Geduld nicht zu sehr strapazieren und deshalb nur auf drei Dinge eingehen.

Zum einen die Außendarstellung unserer Arbeitsgemeinschaft. Der Medienraum im Landtag ist fertig geworden und seit der Mitgliederversammlung sind wir auch im Internet vertreten. Die Umsetzung Ihrer Wünsche, wie Sie sich als einzelnes Mitglied präsentiert sehen wollen, erfolgt im Januar. Von anderen LPK’s haben wir übrigens sehr positive Rückmeldungen über unsere Seiten erhalten.

Zweitens das neue Saarländische Mediengesetz. Die Fassung, die der Landtag schließlich verabschiedet hat, unterscheidet sich deutlich von dem ursprünglichen Entwurf. Mancher Einwand und manche Anregung der Journalistenverbände wurde berücksichtigt. Nun muss die Praxis zeigen, ob sich durch das Gesetz irgendetwas substanziell zum Positiven oder Negativen ändert – abgesehen natürlich von der Zusammensetzung und den Modalitäten von Gremien, diesen personellen Schaltstellen, Spielwiesen und Austragshäuschen für Medienpolitiker aller Couleur.

Drittens die Novelle des Saarländischen Verfassungsschutzgesetzes aus dem vorigen Jahr. Sicher war es kein Ruhmesblatt, dass niemand aus den Verbänden oder von der Opposition gemerkt hat, dass klammheimlich der Hinweis auf Zeugnisverweigerungsrechte gestrichen wurde. Als vor vier Jahren die Grundgesetzänderung zur akustischen Wohnraumüberwachung diskutiert wurde, versprach Justizminister Dr. Arno Walter (SPD) im Bundesrat für folgenden Änderungswunsch im Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu werben: „Die saarländische Landesregierung hält es für wünschenswert und rechtstaatlich geboten, dass auch die anderen sogenannten Vertrauensberufe mit von der Prozessordnung vorgesehenen Aussageverweigerungsrechten, also z.B. auch Ärzte, Anwälte und Journalisten, von der akustischen Überwachung ausgenommen werden, sofern diese nicht selbst der Beteiligung an schweren Straftaten verdächtig sein sollten."

Nun schlägt die CDU-Landtagsfraktion für das saarländische Gesetz eine Formulierung vor, die fast nahtlos daran anknüpft, nämlich: „Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich gegen eine Person, die ein Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen nach Paragraph 53 der Strafprozessordnung hat, nur richten, wenn die Person selbst Verdächtiger im Sinne des Satzes 1 ist und die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre." Liebe Kolleginnen und Kollegen, da kommen einem doch weihnachtliche, österliche und pfingstliche Gefühle in einem: So wie sich die SPD beim Pressegesetz schließlich korrigierte, machen nun die Vorturner der CDU eine Rolle rückwärts, die Beifall verdient – schade nur, dass wieder mal ein Eingriff in einen Kernbereich unserer Arbeit probiert wurde nach dem Motto, vielleicht fällt es niemandem auf, und es dann öffentlichen Druck brauchte, um uns vor dem Großen Lauschangriff weitgehend zu schützen. Gerne hätten wir dies unserem Ministerpräsidenten und verhinderten Justizminister heute selbst gesagt, doch so müssen Sie, lieber Herr Recktenwald, Ihrem Herrn die Botschaft überbringen: Auch der LPK ist manchmal ein reuiger Sünder lieber als hundert Gerechte.

Doch nun zurück zur Hauptperson des heutigen Abends. Staatsanwalt – dieser Begriff wirkt im ersten Moment einschüchternd. Bei kurzem Nachdenken ändert sich dies, er ist eigentlich sogar geeignet, Vertrauen einzuflößen: Der Staat, das sind doch wir. Sie, Herr Weyand, sind also letztlich Anwalt von uns Bürgern. Nebenbei etwas Persönliches: Mein Bild von Staatsanwälten ist zum Glück seit langem im Grunde positiv. Als Jugendlicher war ich gut bekannt mit Jörg Hillinger, der es vom damaligen Oberministrant bis zum Oberstaatsanwalt in Augsburg brachte, bis er vor drei Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. Er hatte trotz großen Drucks und persönlicher Schicksalsschläge mit Zähigkeit und großem Ethos die Ermittlungen im Komplex Schreiber / Pfahls / Strauß junior etc. geführt – ich wollte, ich wäre als Journalist so mutig wie er als Jurist war.

Nun sind Sie, Herr Weyand, nicht nur Staatsanwalt, sondern auch Pressesprecher und Autor. „Das Buch ist extrem lesenswert, überaus informativ und sehr flüssig geschrieben" – dieses Fazit einer Rezension beweist, dass Ihr Können im Bereich der Rechtsverdeutlichung nicht nur uns aufgefallen ist. Wer weiß, vielleicht deutet sich da ein weiterer Berufswechsel an, nachdem Sie ja ursprünglich in der Finanzverwaltung begonnen hatten. Diese Flexibilität scheint ein Charakteristikum der Entenpreisträger zu sein: Ein Pressemann vom Theater ist heute Chef der Landesanstalt für Politische Bildung, eine Soziologin führte der Berufsweg über die Zwischenstation Arbeitsamt in den Landtag, ein Richter wurde Ministerpräsident – sonst wären im übrigen Sie, Herr Weyand, als Vorsitzender des Saarländischen Richterbundes zumindest im Ehrenamt heute sein Chef.

Was wissen wir sonst über Ihre Persönlichkeit, oder können es uns als nicht-eingeweihte Beobachter zusammenreimen? Sie sind offenbar ein Mensch, der ordentlich ist und sorgfältig plant, eher Perfektionist als Improvisator. Nicht ohne Eitelkeit, aber im Umgang angenehm und höflich. Bienenfleißig, aber durch starke Gegengewichte vom Abgleiten in die Arbeitssucht gefeit; dafür spricht jedenfalls das schicke Sportauto und die Freude an kulinarischen Genüssen.

Entscheidend für unsere Wahl war aber natürlich Ihre Kommunikations-Kompetenz. Diesen Sommer hat Ihr altgedienter Hamburger Kollege Rüdiger Bagger in einem Interview behauptet, Öffentlichkeitsarbeit und Staatsanwaltschaft sei ein Widerspruch in sich, denn: „Man kann ganz brutal sagen, dass die Staatsanwaltschaft kein Interesse hat an Öffentlichkeit. Wir ermitteln am liebsten so, dass die Öffentlichkeit davon nichts mitbekommt." Sie, Herr Weyand, fahren eine andere Linie. Deshalb werden Sie von uns geehrt.

Wir freuen uns außerordentlich, dass wir dazu einen prominenten Festredner gewinnen konnten. Sehr geehrter Herr Leyendecker, herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie uns an Ihrem Erfahrungs- und Gedankenschatz teilhaben lassen. Sie sind – sowohl aus Ihrer Tätigkeit beim „Spiegel", als auch nach Ihrem Wechsel zur „Süddeutschen Zeitung" als geradliniger Kollege bekannt, wurden so zum Vorbild vieler recherchierender, zu neudeutsch investigativer Journalistinnen und Journalisten. Wir freuen uns auf Ihre Anmerkungen zum Verhältnis von Staatsanwalt und Medien.